Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Man kennt das ja: Ein verstörtes, verängstigtes, zitterndes, bibberndes Spieß-Bürgertum kennt nur mehr ein Gefühl: Angst.
Angst vor einem Terroranschlag, Angst vor Überfremdung, Angst vor dem Islam, Angst vor der Burka. Und überhaupt: Angst vor der Apokalypse.
In Wien, in dieser "Versuchsstation für den Weltuntergang", wie Karl Kraus schrieb, kennt man diese Angstlust zur Genüge, sie ist beinahe Teil der psychischen Grundkonstitution der Österreicher, doch neuerdings macht sich dieses wohlige Gefühl der Polyphobie auch in Berlin breit.
Dabei war Deutschlands konservativer Innenminister Thomas de Maiziere bisher ein Mann, der mit kühlem Kopf auf die Sicherheitsherausforderungen reagiert hat.
Nun, nach den jüngsten Terroranschlägen in der Bundesrepublik, will sich aber auch die Union als Sicherheitspartei positionieren. Weniger aus Angst vor dem Terror, sondern wohl aus Angst vor den Wählerinnen und Wählern: Im Herbst 2017 finden die Wahlen zum Deutschen Bundestag statt. Die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD), für die das Sicherheits- und Asylthema zentral ist, hat in den vergangenen zwölf Monaten in den Umfragen stetig dazugewonnen und liegt derzeit irgendwo zwischen 9 und 13 Prozent. Das dürfte die Union zum jetzt vorliegenden Sicherheitspaket motiviert haben.
Doch was will Thomas de Maiziere? Mehr Polizei auf den Straßen. Straffällig gewordene Ausländer und "Gefährder" sollen schneller inhaftiert und abgeschoben werden. Durchaus verständliche Forderungen. Dass aber die Doppelstaatsbürgerschaft auf den Prüfstand soll, ist schädlich. Migranten sollen nicht das Gefühl bekommen, "Minderdeutsche" zu sein, formuliert Heribert Prantl in der "Süddeutschen Zeitung" treffend. Der deutsche Anwaltsverein kritisiert den "hektischen Aktionismus", nach jedem Anschlag würden in immer kürzeren Abständen immer neue, noch schärfere Gesetzesänderungen angekündigt. Besonders in der Kritik: Im Entwurf war auch eine Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht angedacht, von der nun allerdings keine Rede mehr ist.
Die Gesellschaft darf sich von den Akten fanatischer, nihilistischer Terroristen nicht einschüchtern lassen. Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit, das stimmt schon; aber zugleich darf die Freiheit nicht auf dem Altar der Sicherheit geopfert werden.