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Bezirksthemen dominierten bei vielen Wienern bei der Wahl der Parteien.
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Wien. Wien hat gewählt. Dass dabei weniger die Bundesthemen für das Endergebnis verantwortlich zeichneten, zeigte sich bereits beim Lokalaugenschein in den Bezirken am frühen Nachmittag: In den Bezirken Neubau und Mariahilf bestimmte vor allem das Thema Marialhilfer Straße das Wahlverhalten. "Ich bin so sauer deswegen", meint die Pensionistin Rosalia R. (58). Sie lebt direkt an der neuen Fußgängerzone. "Uns Anrainer hat nie jemand gefragt, ob wir diese Umgestaltung wollen. Mein Mann ist beinamputiert und auf das Auto angewiesen, aber darauf wird nicht Rücksicht genommen", sagt sie und fügt hinzu: "Ich habe immer die SPÖ gewählt, aber diesmal bekommt sie meine Stimme nicht." Auch die Pensionistin Ulrike Z. (72) ist unzufrieden: "Traditionell wähle ich immer die ÖVP. Ich finde es gut, dass diese Partei gegen die Fußgängerzone ist."
Mariahilfer Straße:
Kritik und Begeisterung
Begeistert von der Mariahilfer Straße zeigen sich hingegen die Studenten Maximilian S. (22) und Jonas K. (22) aus dem 7. Bezirk. "Ich finde es super, was die Grünen da gemacht haben. Durch die Fußgängerzone ist mehr Lebensraum entstanden." Auch IT-Arbeiter Markus E. (27) hat sich für die Grünen entschieden: "Ich habe bisher immer die ÖVP gewählt, aber die hat oft genug bewiesen, dass sie nicht regieren kann. Die Grünen waren für mich die einzige Alternative."
In Favoriten lautet das Motto wiederum nicht mehr SPÖ gegen FPÖ, sondern SPÖ gegen den Rest. Junge Frauen schleudern einem nicht unweit des Viktor-Adler-Markts ein "Ich habe Grün gewählt" ins Gesicht, während pensionierte Arbeiter zähneknirschend etwas von der sozialen Gerechtigkeit ihrer roten Kader mümmeln, wenn sie das Wahllokal verlassen.
Auch Hannelore V. will dieses Mal etwas ändern. Seit 1968 lebt sie in dem Arbeiterbezirk, 27 Jahre lang stand sie an einem Würstelstand am Quellenplatz, hat meistens die ÖVP gelegentlich aber auch die SPÖ gewählt. "Ich habe heute Stronach gewählt", sagt sie. Und: "Die anderen Parteien sind so großzügig, wollen immer alles verteilen für die Jugend, aber was will man verteilen, was man nicht hat?"
Von den Roten ist Melitta G. ziemlich enttäuscht. Jahrelang hat die 46-jährige Krankenschwester die SPÖ gewählt. Doch heute will sie die "ganz Großen" abstrafen, dafür, dass ihre achtjährige Tochter im Puchsbaumpark nahe des Reumannplatzes attackiert wurde, weil sie die Frage "Bist du Muslim?" verneint hatte. "Ich lebe Multikulti jeden Tag, aber ich bin gegen die Radikalen", sagt sie aufgebracht. Gewählt hat sie Heinz-Christian Strache. "Mit der FPÖ kann ich mehr rütteln", ist sie überzeugt, bevor sie ins Wahllokal auf der Quellenstraße geht.
Beim Lokalaugenschein in Stadlau im 22. Bezirk heißt es noch SPÖ oder FPÖ. Der derzeitige Bauboom im Bezirk spielt für die Wahlentscheidung offensichtlich keine Rolle. Ein 44-jähriger Starkstrommonteur hat die SPÖ gewählt, weil die Partei "eine gewisse Sicherheit ausstrahlt". Im Gegensatz dazu steht für den Stammwähler die Zeit von Schwarz-Blau. Er betont: "Wir sind ein Sozialstaat, das soll auch so bleiben." Auch eine 35-jährige Hausfrau hat ihr Kreuz abermals bei der SPÖ gemacht. Es gebe für sie keinen Grund, sich für eine andere Partei zu entscheiden.
"Rot-Schwarz braucht
einen Denkzettel"
Anderer Meinung ist eine 32-jährige Frau, die als Heimhilfe tätig ist. Sie hat bis jetzt immer SPÖ gewählt, sich aber nun für die FPÖ entschieden. "Es muss sich etwas ändern. Rot-Schwarz braucht einen Denkzettel", meint sie. Die 32-Jährige wohnt in einem Gemeindebau. "Man hört hier kein Wort Deutsch mehr. In der Umgebung gibt es Schulen, in denen pro Klasse nur drei österreichische Schüler sitzen." Das könne nicht so weitergehen. Am besten sollte die FPÖ mit der SPÖ koalieren. Das wäre für sie die beste Lösung.
Eine andere Frau war selbst am Wahltag noch unschlüssig. Auf dem Weg zum Wahllokal hat sie noch zwischen ÖVP und Neos hin und her überlegt, sagt die 45-jährige Shiatsu-Lehrerin. Ihre Stimme haben dann letztendlich doch die Neos bekommen. "Die Partei ist gegen jedes Muss. Das gefällt mir." Früher hat sie immer die SPÖ gewählt.
"Mit alten Parteien einfach nicht mehr zufrieden"
Im Alten Rathaus in der Wipplinger Straße im 1. Bezirk hat sich Martin B. (53) auch für die Neos entschieden. Früher war er ÖVP-Wähler, doch seine Einstellung hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert: "Ich bin mit allen anderen Parteien einfach nicht mehr zufrieden bin", sagt der Physiotherapeut. Auch der Pensionist Walter H. (60) hat der ÖVP den Rücken gekehrt. Er gibt seine Stimme dem Team Stronach, denn zu den etablierten Parteien habe er das Vertrauen verloren: "Es gibt einfach so viele Skandale, dass ich genug habe von denen."
In Währing sprechen sich beim Lokalaugenschein nach der Parkpickerlverweigerung des Bezirkschefs viele für Rot und Grün aus. Die Debatte habe ihre Wahl beeinflusst: Dorith C. (65) zeigt sich verärgert über das fehlende Parkpickerl in ihrem Bezirk: "Ich finde es blödsinnig, dass der Bezirkschef Homole es gerade bei uns, wo es dringend notwendig wäre, nicht gemacht hat." Daniela S. (24) ist Studentin und wählt Grün aus Überzeugung: "Das mache ich aus Tradition und auch weil ich in den letzten Jahren erkannt habe, dass es am sinnvollsten ist."
Wissen: Umsprengelung
Wie bei jeder Wahl gab es am gestrigen Wahlsonntag wieder einmal Verwirrung über die Verlegung von Sprengeln in manchen Bezirken. Aufregung herrscht hier vor allem bei der älteren Generation: Wenn man nach Jahrzehnten plötzlich in eine andere Schule zur Stimmabgabe geschickt wird. Im Büro der zuständigen Stadträtin Sandra Frauenberger spricht man von Routine: "Umgesprengelt" wird demnach nach jeder Volksabstimmung oder Wahl - vor allem in Stadterneuerungsgebieten wie etwa beim Nordwestbahnhof. Grundlage des komplizierten Verteilungsschlüssels ist, dass in der Stunde 70 Wahlberechtigte die Möglichkeit haben müssen, ihre Stimme abzugeben. Dementsprechend findet auch die Sprengelzuweisung statt.