Beim Überwachungspaket der Regierung besteht aus technischer Sicht die Gefahr des Missbrauchs.
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Wien. "Zur Ehrenrettung der Trojaner: Im Trojanischen Pferd waren Griechen versteckt. Es ist abwegig, von einem Bundestrojaner zu sprechen", sagte Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk zum Maßnahmenpaket der Regierung, das die Überwachung von Messenger-Diensten wie WhatsApp und Skype durch die "Remote-Installation eines Programms auf einem Computersystem" (Stichwort: Bundestrojaner) vorsieht. "Remote" bedeutet, dass die Installation auch von der Ferne aus getätigt werden kann. Staatliche Behörden müssen dabei allerdings wie Hacker oder Kriminelle vorgehen.
Die viel kritisierte Maßnahme, die die türkis-blaue Regierung im Februar auf Schiene gebracht hat, dürfte jedoch verfassungsrechtlich standhalten, so Funk im Zuge einer Pressekonferenz des Vereins "epicenter.works" am Montag. "Die derzeit auf dem Tisch liegende Fassung ist verfassungsrechtlich kaum angreifbar", sagte Funk. Das Paket sei von dem Bemühen getragen, Gefahren durch Missbrauch zu minimieren - aus technischer Sicht werfe es aber sehr wohl Fragen auf. Denn Ermittler erhalten umfangreiche, schwer einzuschränkende Möglichkeiten mit Missbrauchsgefahr. "Die Abgrenzung zwischen überwachen und durchsuchen ist technisch nicht machbar", so Funk.
Überwachung der Überwachung
"Der Staat nimmt ein großes Schweizer Messer und sagt, du darfst nur die kleine Klinge benutzen", ergänzte IT-Experte Otmar Lendl. In anderen Worten: Die Möglichkeiten bei der Fernüberwachung von Computersystemen sind Lendl zufolge kaum einschränkbar. In einzelnen Fällen könne das zu Missbrauch führen. Denn der Staat sieht zwar eine Überwachung der Überwachung in Form von Rechtsschutzbeauftragten vor - diese seien jedoch nur für juristische und nicht für technische Fragen zuständig.
Ein weiteres Problem ist für "epicenter.works" die verwendete Software - nämlich, wie der Staat mit den Sicherheitslücken in Betriebssystemen umgehen soll, die für die Remote-Software ausgenutzt werden sollen. An sich müssten diese den jeweiligen Firmen gemeldet werden, um diese zu schließen. Lendl schlug vor, den Kreis der Überwachten lieber einzuschränken und nur Systeme mit fehlenden Updates zu infiltrieren. Das Innenministerium war selbst nach mehrmaligem Nachfragen bis Redaktionsschluss zu keiner Stellungnahme zu den angesprochenen Problemen bereit.
Die Gesetzesvorhaben der Regierung sehen unter anderem eine verstärkte Video-Überwachung im öffentlichen Raum und im Straßenverkehr, die Überwachung von Internet-Kommunikation durch staatliche Spionagesoftware, einen Neuanlauf zur Vorratsdatenspeicherung sowie die Registrierung von Prepaid-Handy-Karten vor. Der Bundestrojaner soll bei Straftaten, mit einer Strafandrohung von mehr als zehn Jahren zur Anwendung kommen, bei Verdacht auf terroristische Straftaten sowie bei Straftaten mit einer Strafandrohung von mehr als fünf Jahren, wenn Leib und Leben und/oder die sexuelle Integrität gefährdet sind.
Neuer Anlauf mit der FPÖ
Die meisten Inhalte der von der Regierung als "Sicherheitspaket" titulierten Maßnahmen wollte die ÖVP schon in der vergangenen Legislaturperiode umsetzen, ist aber am Widerstand des damaligen Koalitionspartners SPÖ gescheitert. Mit der FPÖ gibt es nun einen neuen Anlauf. Das Paket wird befristet für fünf Jahre beschlossen und soll nach drei Jahren evaluiert werden. SPÖ, Neos und die Liste Pilz lehnen dieses entschieden ab.