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Bundesvergabenovelle: "Schritt ins Mittelalter"

Von Stephanie Dirnbacher

Wirtschaft

Änderung des Rechtsschutzes. | EU-Kritik nicht berücksichtigt. | Wien. Es wird herumgedoktert: Schon ein Jahr nach Inkrafttreten des Bundesvergabegesetzes 2006 ist die erste Schönheits-OP notwendig. Ein Entwurf für die Gesetzesnovelle liegt vor, die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen läuft heute, Mittwoch, aus. Die Änderung des Gesetzes, das die Ausschreibungspflicht für Aufträge der öffentlichen Hand regelt, war durch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) notwendig geworden. Auch das neue Unternehmensgesetzbuch sowie der EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens erfordern Anpassungen.


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Widerruf vereinfacht

Während der Rechtsanwalt Matthias Öhler dem Entwurf ein relativ gutes Zeugnis ausstellt, hagelt es von seinem Kollegen Gunter Estermann Kritik: Der Gesetzgeber hätte lediglich redaktionelle Anpassungen vorgenommen und "gelegentlich den Auftraggebern etwas Gutes getan". Nach dem Entwurf könnten Auftraggeber nämlich im Unterschwellenbereich - wenn das Auftragsvolumen einen gewissen Betrag nicht übersteigt - das Vergabeverfahren ohne vorhergehende Verständigung der Bieter schlicht widerrufen. Diese Widerrufsentscheidung kann dann von den Bietern nicht mehr angefochten werden. Für Estermann ist diese Regelung ein "Schritt ins vergaberechtliche Mittelalter", weil es den Rechtsschutz einschränkt. Auch die Wirtschaftskammer lehnt die Neuregelung entschieden ab.

Öhler sieht das weniger dramatisch. Für ihn bedeutet die Änderung zwar auch eine Beschränkung des Rechtsschutzes, er meint jedoch, dass das Anfechtungsrecht der Bieter in der Praxis ohnehin ins Leere gehen würde: "Man kann keinen Auftraggeber zwingen, einen Zuschlag zu erteilen."

Generell positiv wird die Senkung der hohen Pauschalgebühren durch die Novelle gesehen. Diese wurden vom VfGH beanstandet, weil sie den Rechtsschutz einschränken. Bieter müssen nämlich derzeit bei der Bekämpfung einer Ausschreibung enorme Beträge, insbesondere für eine Einstweilige Verfügung, hinblättern. Nur mit einer Einstweiligen Verfügung kann dem Auftraggeber die Zuschlagserteilung für eine gewisse Zeit untersagt werden. Laut Estermann werden Einstweilige Verfügungen in 90 Prozent der Anfechtungen beantragt. Deshalb hätte sich der Rechtsanwalt hier noch eine stärkere Herabsetzung der Gebühren gewünscht.

Für den Geschäftsführer der Bundesbeschaffungsgesellschaft, Andreas Nemec, ist die angepeilte Gesetzesänderung "nicht spektakulär". Nemec hätte sich eine Erleichterung für Subunternehmer gewünscht. Diese hätte durch eine weniger strenge Nachweispflicht für die technische Eignung erreicht werden können.

Vertragsverletzung

Auch Estermann hat einige Wünsche offen. Laut ihm hätte der Gesetzgeber jedenfalls die unklaren Anfechtungsfristen ändern müssen. Die Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof hätten hier bereits mehr Transparenz für den Unterschwellenbereich gefordert. Estermann rechnet deshalb mit einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich, da die Novelle die EU-Kritik nicht berücksichtigt.