"Albanien wird in der Öffentlichkeit schlechter wahrgenommen, als es ist", meinte Raiffeisen International-Chef Herbert Stepic anlässlich der Übernahme der Albanischen Sparkasse im April dieses Jahres. - Zumindest in der Hauptstadt Tirana scheint sich diese Aussage zu bestätigen.
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Die Sonne strahlt über dem Skanderbegplatz mit dem Denkmal des albanischen Nationalhelden und auf den Straßen Tiranas herrscht geschäftiges Treiben. Gut, zu viel in die Luft schauen sollte man bei einem Rundgang durch die Stadt nicht, sonst läuft man Gefahr, in eines der Löcher im Gehsteig bzw. auf der Straße zu stolpern, aber das ist ja schließlich nicht nur in Albanien so. Dabei gibt es einiges zu sehen, denn wer glaubt, dass hier alles heruntergekommen und zurückgeblieben ist, der irrt!
Natürlich werden Zigaretten, Handys und zum Teil auch Obst und Gemüse direkt auf der Straße verkauft, aber es gibt auch eine Reihe neuer schmucker Geschäfte, deren Angebot es locker mit jenem auf österreichischen Einkaufsstraßen aufnehmen kann - vorallem was das Sortiment an Damenschuhen und Brautkleidern betrifft. Die Dichte dieser Geschäfte lässt vermuten, dass diese Waren für die Albanerinnen einen besonders hohen Stellenwert haben - ebenso wie Autos für die Albaner: Schätzungsweise jedes dritte Auto hier ist ein Mercedes (auf einigen klebt noch das Länderpickerl "D" für Deutschland).
Im Straßenverkehr ist grundsätzlich Vorsicht angebracht. Seit einigen Jahren gibt es zwar Verkehrsampeln, aber die funktionieren (auch wegen der Stromausfälle) nur zeitweise. Verkehrsregeln sind offensichtlich nicht bekannt, oder sie werden ignoriert. Dort wo Polizisten auf den Kreuzungen stehen, wäre es eine schamlose Übertreibung zu behaupten, dass sie den Verkehr "regeln". Sie stehen dort und versuchen zu überleben, denn jedes Auto fährt so weit es geht in die Kreuzung, bis es wenige Zentimeter vor einem anderen Fahrzeug oder vor dem Polizisten zum Stehen kommt - dann wird laut gepfiffen. Irgendwie kommt dann doch ein Auto um das andere vorwärts, bis die nächsten Verkehrsteilnehmer wieder verschachtelt in der Kreuzung stehen.
"Wir haben in allen Bereichen in Tirana große Probleme, aber es wird in kleinen Schritten besser", erklärt der Bürgermeister der Stadt, Edi Rama, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Angesprochen auf Korruption und Schattenwirtschaft bestätigt auch er: "Das System funktioniert nicht. Daher begeben sich die Unternehmer außerhalb des Systems". Doch es gebe Fortschritte: Die Kontrolle der Steuereinnahmen und die Schulinfrastruktur wurden verbessert, Bauvorschriften verfasst.