Eine neue Studie und Expertenstimmen zeigen die Unverlässlichkeit der funktionellen Magnetresonanztomographie auf.
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Wien. Eine Annahme: Wir stehen auf einer aus einem dichten Nebelfeld herausragenden Bergspitze. In der Ferne sehen wir einige weitere Peaks aus der weißen Decke blitzen. Was die Menschen im Tal tun, erkennen wir jedoch nicht. Wir müssten eine Interpretation wagen, die natürlich falsch sein könnte.
Genau das scheinen Neurowissenschafter zu tun, wenn sie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) für ihre Zwecke heranziehen. Mit diesem bildgebenden Verfahren lassen sich mit hoher räumlicher Auflösung besser und schlechter durchblutete Hirnareale darstellen. Damit ziehen Forscher Rückschlüsse auf bestimmte neuronale Aktivitäten. Schwedische und britische Medizininformatiker wollen nun eine Anomalie genau in jener Software entdeckt haben, mit der fMRT-Aufnahmen analysiert werden. Damit könnten tausende Studien zur Gehirnaktivität wertlos sein.
70 Prozent falsche Positive
Das Forscherteam um Anders Eklund von der Universität Linköping hatte vorhandenes Datenmaterial nachanalysiert und dabei festgestellt, dass die gängigsten Programme sehr viele sogenannte falsche Positive generiert haben - also Aktivität im Gehirn feststellten, wo gar keine war.
Um die Fehlerquote der Softwarepakete zu überprüfen, werteten die Forscher fMRT-Daten von 499 gesunden Kontrollpersonen im Ruhezustand aus. Zwei daraus zufällig herausgepickte Kontrollgruppen verglichen sie miteinander. Das Resultat sollte sein, dass sich die Gehirnaktivität der beiden Gruppen nicht voneinander unterscheidet. Stattdessen hätten die verwendeten Programme bis zu 70 Prozent falsche Positive festgestellt, also Hirnaktivitäten erkannt, wo in Wirklichkeit keine stattfanden, berichten die Medizininformatiker im Fachblatt "Pnas". Eine Abweichung von fünf Prozent wäre noch akzeptabel gewesen.
Laut Jens Frahm vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen handelt es sich dabei jedoch nicht direkt um einen Softwarefehler, wie er in der "Süddeutschen Zeitung" betont. Vielmehr werde die Methode zu oft falsch eingesetzt. Denn die Analyseprogramme würden nur dann sinnvoll arbeiten, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt seien. Dies wiederum würde von den Forschern viel zu selten kontrolliert. Seien bei der Messung nicht alle Voraussetzungen erfüllt, sei die Software nicht in der Lage, brauchbare Ergebnisse auszuspucken.
Ewald Moser vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der Meduni Wien - er arbeitet seit 25 Jahren daran, die Methode zu verbessern - schlägt in dieselbe Kerbe. "Die Sensitivität der Methode ist relativ hoch, aber die Spezifität schlecht", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Viele Parameter seien zu berücksichtigen.
Das fMRT sei ein sehr indirektes Verfahren, das lokale Veränderungen im Blutfluss anzeigt - genauer gesagt die sogenannte Oxygenierung, die Versorgung mit Sauerstoff. Wenn Neuronen aktiv sind, benötigen sie Energie und damit auch Sauerstoff, der über das Blut zugeführt wird. Diese Unterschiede würden sich im Kapillarbereich abspielen. Ob sie tatsächlich auf eine lokale neuronale Aktivierung in einer ganz bestimmten Struktur zurückzuführen sind, sei aber nicht eindeutig. "Da sind wir nicht gut genug", so Moser. Bis heute würde die fMRT nicht das liefern, was man sich erhofft habe.
Anwendung in der Klinik
Als "schlecht" bezeichnet er zudem die Darstellung der Daten. Eine hochaufgelöste anatomische Darstellung im Hintergrund würde suggerieren, "dass auch diese funktionellen Messungen eine so hohe Genauigkeit hätten". Das sei "einfach nicht richtig". Und weiter: "Wir Menschen sind natürlich sehr anfällig für visuelle Eindrücke." Auch durch den Einsatz der knalligen Farben habe man den Eindruck, das sei dann richtiger, besser oder verlässlicher.
Im klinischen Bereich komme das Verfahren, obwohl es seit 25 Jahren zur Verfügung steht, eher selten zum Einsatz - aber doch. Dies sei "fragwürdig", stellt Moser fest. Nicht zuletzt mit den neuen Forschungsergebnissen sei die klinische Routine damit gänzlich in Frage gestellt. Als Mediziner sollte man "von jeder Methode die Stärken und Schwächen kennen, um sie richtig einzusetzen".
Der schwedische Forscher Eklund schlägt nun als Alternative ein anderes Analyseverfahren für fMRT-Daten vor, das die Probleme beheben soll. Dieses sei aber wesentlich rechenintensiver als die bisherige Auswertung. Frahm bezeichnet Eklunds Arbeit auf jeden Fall als "Weckruf" für die Wissenschafter, sich genauer mit den Eigenheiten dieser Methode zu beschäftigen - wohl um die Nebelwand aufzubrechen.