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Burger mit Wodka

Von Daniel Bischof

Politik

Wo steht Österreich im Ringen zwischen Nato und Russland? Der Versuch einer Einordnung.


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Formal ist man ja neutral, zum Westen aber gehört man schon. Mit den Russen allerdings will man auch gut sein, was wiederum manche im Westen erzürnt. Österreichs Haltung im Konflikt zwischen Ost und West, sie ist verzwickt. Welche Rolle spielt das Land nun im wieder aufgeflammten Konflikt zwischen der Nato und Russland? Wie hat sich die Beziehung zu den beiden Mächten entwickelt? Der Versuch einer Einordnung.

Ginge es nur um Bilder und die Symbolik, so würde im Rennen um die bessere Beziehung zu Österreich wohl Russland vor den USA liegen. Die Fotos des Tanzes von Russlands Präsident Wladimir Putin mit der damaligen österreichischen Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) auf ihrer Hochzeit im August 2018 gingen um die Welt. Sie nährten die Ängste westlicher Staaten, dass die Freiheitlichen als Regierungspartei eine betont russlandfreundliche Politik forcieren würden.

Kontrovers war auch Putins Besuch im Juni 2014. Mitten im Konflikt um die russische Annexion der Krim wurde er mit Pomp und Gloria in Wien empfangen. Es war der erste Besuch Putins in einem EU-Mitgliedstaat nach Beginn des Ukraine-Konflikts. Und er passte ins Bild: Die EU-Sanktionen gegen Russland wurden zwar mitgetragen, aber mit teils enden wollender Begeisterung, vor allem vonseiten der Wirtschaft.

Der Blick alleine auf diese medienwirksamen Momente zeichnet ein einseitiges Bild. Vor allem die USA versuchten in den vergangenen Jahren, Österreich enger an den Westen zu binden. "Es gab sicher eine Asymmetrie zwischen dem, was auf oberster politischer Ebene kommuniziert wurde und welche Botschaften ausgeschickt wurden, und dem, was auf der operativen und praktischen Ebene geschehen ist", sagt Generalmajor Johann Frank, der in der Landesverteidigungsakademie des Bundesheeres arbeitet.

An sich habe Österreich, was die Verteidigungspolitik betreffe, keinen übermäßig guten Ruf bei den USA, heißt es aus informierten Kreisen gegenüber der "Wiener Zeitung": "Wir geben extrem wenig Geld für unser Militär aus, wir haben eine extrem schlechte Leistungsfähigkeit und waren für die Amerikaner nicht wirklich hilfreich." Außerdem habe es für die USA immer "so ausgeschaut, dass wir zu sehr auf der Seite der Russen stehen".

Nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene sind Russland und Österreich verzahnt. So hat die OMV massiv in die Gaspipeline Nord Stream 2 investiert. "Es gibt eine enge Verflechtung auf der Elitenebene", sagt der Nachrichtendienst- und Sicherheitsexperte Thomas Riegler. Zahlreiche österreichische Ex-Politiker sitzen in Aufsichtsräten russischer Unternehmen, etwa Ex-Außenministerin Kneissl und die Ex-Bundeskanzler Christian Kern und Wolfgang Schüssel. Auch Unternehmer wie Siggi Wolf pflegen enge Kontakte nach Moskau.

Beschwerden der Amerikaner

Zudem ist die russische Präsenz in Wien beachtlich. Als Sitz zahlreicher internationaler Organisationen und Spionage-Hotspot ist die Stadt für Russland bedeutsam. In Wien verfügt Russland über eine seiner größten Legalresidenturen weltweit, wie Riegler in seinem Buch "Österreichs geheime Dienste" schreibt. In der Donaustadt umfasst die 40.000 Quadratmeter große Diplomatensiedlung Wohnungen, Freizeitanlagen und Repräsentationsräume.

Als die Beziehungen zwischen Ost und West sich in den vergangenen Jahren verschlechterten, sei den Österreichern von den Amerikanern, Briten und anderen Nato-Staaten zunehmend seine "angeblich russlandfreundliche Haltung" vorgehalten worden, heißt es aus informierten Kreisen. Das habe bereits unter US-Präsident Barack Obama angefangen und sei unter der Trump-Regierung fortgesetzt worden.

Darauf deutet auch ein Bericht des "New Yorker" vom Juli 2021. Darin wird Trevor Traina, der von 2018 bis 2021 US-Botschafter in Österreich war, zitiert. Seine Botschaft an die österreichische Führung sei gewesen: "Trotz eurer formalen Neutralität seid ihr auf der Seite des Westens. Wir sind keine lockeren Freunde. Wir sind Verbündete", so Traina. Der damalige US-Botschafter fädelte mit Unterstützern in Washington hochrangige Treffen ein.

Kooperation mit der Nationalgarde

Wenige Monate nach Kneissls Tanz mit Putin empfing im Februar 2019 US-Präsident Donald Trump Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Weißen Haus. Ein weiteres geplantes Treffen im März 2020 musste wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Im August 2020 reiste US-Außenminister Mike Pompeo nach Wien. Im Zuge des Treffens wurde zwischen dem Bundesheer und der US-Nationalgarde ein "State Partnership Program" angekündigt. Es wurde im Oktober 2021 beschlossen und soll im Mai 2022 unterzeichnet werden.

Das Programm soll dem Bundesheer und der Nationalgarde von Vermont einen Erfahrungsaustausch ermöglichen, hält das Bundesheer fest. Im Vordergrund stünden die Bereiche "Cyber-Security, Militärmedizin, Katastropheneinsatz und internationaler Terrorismus". Dadurch soll Österreichs Miliz gestärkt werden.

"Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass so eine Partnerschaft geschlossen wird", sagt Generalmajor Frank. Solche Partnerschaften würden von den USA nur zwei oder drei Mal im Jahr vergeben werden und einer genauen Prüfung durch das Pentagon unterliegen, erklärt er. Insgesamt seien die bilateralen Beziehungen auf militärischer Ebene zwischen den USA und Österreich "auf hohem Niveau". So gebe es internationale Kooperationen und eine gegenseitige Offiziersausbildung. Im Gegensatz dazu habe es "in Bezug auf Russland auf militärischer Ebene nie eine engere Zusammenarbeit gegeben", berichtet Frank. Es gebe klare Richtlinien und Weisungen, welche die Zusammenarbeit einschränken - etwa auf Sportwettbewerbe.

Ein bedeutendes Ereignis war aber vor allem der Cyberangriff auf die IT-Systeme des Außenministeriums zum Jahresbeginn 2020. Er dauerte einen guten Monat an. Als mögliches Motiv galt, dass der Angreifer über das Außenministerium vertrauliche EU-Dokumente absaugen wollte. "Bei so etwas greift man immer das schwächste Glied an - und das war offenbar Österreich", heißt es aus informierten Kreisen. Details wurden nicht öffentlich, hinter vorgehaltener Hand wurde aber Russland als Urheber genannt.

"Achse nach Moskau nach wie vor sehr stark"

Solche Angriffe werden im Risikobild 2030 des Bundesheers als eine der größten von Russland ausgehenden Gefahren gewertet: "Die hybriden Aktivitäten Russlands innerhalb der EU werden zunehmen, inklusive einer Häufung der Cyberangriffe und Einflussnahmen auf demokratische Willensbildungsprozesse im Westen."

Just im gleichen Jahr des Cyberangriffes, wenige Tage nach dem Besuch von US-Außenminister Pompeo in Wien, wies Österreich im August 2020 einen russischen Diplomaten aus. Er soll jahrelang Wirtschaftsspionage betrieben haben. Es war ein ungewöhnlicher Schritt für die österreichische Politik, die nicht für ihr Vorpreschen bei Sanktionen gegen Russland bekannt gewesen ist. Russland reagierte prompt und verwies einen österreichischen Diplomaten des Landes.

"Das Verhältnis zu Russland ist seit dem Cyber-Angriff schon getrübt. So prorussisch wie vor einigen Jahren ist es jetzt nicht mehr. Selbst die FPÖ hat ihr Freundschaftsabkommen mit der Putin-Partei nicht verlängert", sagt Riegler. Dennoch sei die "Achse nach Moskau nach wie vor sehr stark". Alleine aufgrund der engen Wirtschaftsbeziehungen und Nord Stream 2 "will man sich in Österreich nicht zu eindeutig aus dem Fenster lehnen".

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kündigte im Ukraine-Konflikt diese Woche eine "starke geeinte Antwort der Europäischen Union" an. Die Situation sei "extrem beunruhigend". Er verfolge die Worte Putins und seines Außenministers Sergej Lawrow sehr genau. Sie seien "ziemlich aggressiv im Ton, aber ich bin immer noch hoffnungsvoll, dass wir eine Basis finden".

"Ein klarer Abstieg"

Österreichs Rolle dürfe geopolitisch nicht überschätzt werden, sagt Riegler. "Österreich ist Gastgeber von internationalen Konferenzen und beherbergt Organisationen wie die UNO und die OSZE. Darüber hinaus ist es kein Akteur auf der weltpolitischen Bühne. Richtschur ist die außenpolitische Linie der EU - aber nicht einmal da gibt es in der Ukraine-Frage Konsens." Im Vergleich zu den 1970er-Jahren sei das ein klarer Abstieg, so Riegler. Damals habe es aufgrund der Blockbildung und des Kalten Kriegs noch Handlungsspielräume für Österreich gegeben: "Und Kreisky hat gewusst, wie er diese Handlungsspielräume nützt."

Frank sieht Österreich als "Teil des großen Gefüges" der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU. "Wir sind da im Mainstream der EU eingeordnet." In Sicherheitsfragen werde für Österreich daher "die Handlungsfähigkeit der EU der Schlüssel bleiben".