ÖVP-Landesparteitag: Parteichef Blümel setzt auf Themen Freiheit und Sicherheit - und hofft auf Hilfe der Bundespartei.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Die Wiener ÖVP hält heute, Samstag, im Museumsquartier ihren Landesparteitag ab. Dieser steht am Ende eines mehrmonatigen Reformprozesses, den sich die Partei nach den Verlusten bei der Wien-Wahl im Oktober 2015 unter ihrem neuen Obmann, Gernot Blümel auferlegt hat. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erklärt der Parteichef, wie er die Wiener ÖVP "von einem trägen Tanker hin zu einem modernen bürgerlichen Schnellboot" wandeln will. Dabei soll auch die Bundes-ÖVP eine Rolle spielen.
"Wiener Zeitung":Herr Blümel, im Stadtparlament stehen Ihnen Bürgermeister Michael Häupl von der SPÖ, Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou von den Grünen und Vizebürgermeister Johann Gudenus von der FPÖ gegenüber. Sie bekleiden kein Amt, sind kein politisches Schwergewicht, das aus der Bundespartei kommt - wie wollen Sie da künftig etwas für die ÖVP bewirken?Gernot Blümel: Der Vorschlag, mich zum Obmann zu designieren, kam aus der ÖVP Wien heraus. Mir war bewusst, dass die ÖVP mehr Potenzial hat als das Ergebnis der Wahl von vergangenem Herbst. Und es war mir klar, dass man vieles anders machen muss. Das Einzige, was ich falsch machen hätte können, wäre gewesen, zu wenig Mut zur Veränderung zu beweisen. Das war der erste Schritt.
Wie ging es weiter?
Als sich abzeichnete, dass wir in Opposition gehen, wurde klar, dass man als 9 Prozent starke Partei mit verknappten Ressourcen möglichst laut und kantig auftreten muss - aber doch konstruktiv. Dann galt es, sich vor dem Hintergrund des nun stattfindenden Parteitags selbst als Organisation zu hinterfragen: Was sind die eigenen politischen Leitlinien und wie sind die internen Spielregeln - sprich Statut. Und jetzt geht es darum, die Parteireform auf Schiene zu bringen.
Wie lauten die neuen Leitlinien und was haben Sie an den Spielregeln verändert?
Wir haben etwa 50 Gremien abgeschafft und viele andere verschlankt und damit wesentliche Entscheidungsprozesse verkürzt. Das sind Dinge, die seit Jahrzehnten in der ÖVP angestanden sind und nicht angegriffen wurden.
Warum eigentlich nicht - der Wiener ÖVP geht es ja nicht erst seit der vergangenen Wahl schlecht?
Weil es nicht leicht ist, solche Reformprozesse zu machen - da stößt man schnell auf massiven Widerstand. Aber ich glaube, dass nach der Wahl bei der ÖVP das Verständnis dafür da war, diesen Schritt anzugehen - damit man darauf aufbauend eine neue Politik machen kann, auch auf struktureller Ebene.
Jetzt gibt es keinen Widerstand?
Jede Reform, die nicht wehtut, ist keine Reform, hat Wolfgang Schüssel einmal gesagt. Insofern gehört das schon mit dazu, wenn man etwas verändern will.
Wir waren bei den Gremien - wie sehen die neuen Leitlinien aus, mit denen man wieder Wähler anlocken will?
Wir haben uns Leitbilder erarbeitet, die nun formell beschlossen werden: Die Grundlinien, für die die Wiener ÖVP steht, sind Freiheit und Sicherheit.
Was heißt das genau?
Dass man sein Leben möglichst selbstbestimmt und frei gestalten kann, ohne dass sich die Stadt in Dinge einmischt, die sie nichts angeht. Aber gleichzeitig genügend Sicherheit zu gewährleisten, um diese Freiheit zu ermöglichen.
Wo mischt sich die Stadt ein?
Rot-Grün betreibt eine Bevormundungspolitik - alles soll von der der Wiege bis zur Bahre geregelt werden. Das entspricht nicht dem bürgerlichen Habitus. Da fehlt es an Freiheit, wenn man 17 Mal für einen Schanigarten zum Magistrat rennen muss oder ein Blumenkisterl aufstellen will. Stadtluft macht frei, heißt es immer - nur in Wien nicht. Und wenn die Stadtregierung dann befürwortet, dass tausende Menschen unkontrolliert durch unser Land laufen, dann signalisiert das ein fehlendes Sicherheitsempfinden. Damit können wir die Menschen ansprechen.
Jetzt fordert Ihre Partei Zugangskontrollen zum Wiener Rathaus - wegen der Sicherheit. Spiegelt sich nicht genau hier der Widerspruch ihrer Leitlinien wider: Sicherheitsmaßnahmen, die eigentlich die individuelle Freiheit einschränken?
Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit. Beim Rathaus wird fahrlässig mit dem eigenen Regierungsgebäude und somit auch mit den Mitarbeitern umgegangen. Überall gibt es Zugangskontrollen - im Parlament, in den Ministerien. Und das schränkt keineswegs ein. Im Gegenteil: Vor dem Umbau des Parlaments gab es 60.000 Besucher pro Jahr, nach dem Umbau waren es 160.000 Besucher - trotz eingeführter Ausweis- und Zugangskontrollen. Also: kein Widerspruch, sondern eine notwendige Ergänzung.
Und wie wollen Sie künftig Ihre Leitlinien mit dem Budget einer Kleinpartei kommunizieren?
Zwei Strategien: Zum einen wollen wir über die Stadt-Themen hinaus verstärkt jene Bundesthemen aufgreifen, zu denen wir einen Wien-Bezug herstellen können. Zum anderen ist Wien durchaus Mundpropaganda-fähig: Was unter den Meinungsbildnern in der sogenannten Landtmannblase gesprochen wird, verbreitet sich schnell. Und wir wollen verstärkt direkt mit den Menschen ins Gespräch kommen.
Was ist ihr Ziel?
Mein Ziel ist es, bei der nächsten Wahl die ÖVP auf 20 Prozent zu bringen.