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Burka 2020

Von Clemens Neuhold

Analysen

Warum die Burka-Debatte kein Sommerlochthema war und es sich auszahlt, heikle Migrantenthemen nicht der FPÖ zu überlassen.


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In den sozialen Medien werden Meinungsführer leicht verächtlich "Alphas" genannt, als könnte der Leithammel etwas für seine Herde. Diese Alphas erkennt man mitunter daran, dass sie begründen, wenn sie einer Debatten ausnahmsweise fernbleiben. In der von der FPÖ angestoßenen Debatte über ein Burka-Verbot ließen die Debattenwächter reflexartig wissen: übliche FPÖ-Hetze, keine Burkaträgerinnen, Sommerloch.

Dabei gab es auch ganz ohne FPÖ Grund für eine Grundsatzdebatte über die Vollverschleierung: ein Grundrechts-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Der bestätigte das französische Burka-Verbot (Burka und Niqab) mit der Begründung, dass die Vollverschleierung dem Zusammenleben in einer Gesellschaft schade, weil das Gesicht bei der Interaktion zwischen Menschen eine wichtige Rolle spiele. "Debating Europe" startete eine Debatte, der "Economist" lud Leser zum Chat mit einer Frankreich-Expertin ein, in deutschen Magazinen kommentierte man pro und contra.

Nach provokanten Aussagen des grünen Bundesrates Efgani Dönmez gegen Burkaträgerinnen plumpste die Debatte auch in Österreich nicht ins Sommerloch und kam - surprise - streckenweise ganz ohne FPÖ aus. In "Heute" erfuhr der Leser die Unterschiede zwischen Burka, Niqab und Tschador (Gesicht frei). Auf der Facebook-Seite von Eva Glawischnig reagierten die "Friends" sachlich auf das Plädoyer der Grünen-Chefin contra Verbot, wobei die Meinungen pro Verbot tendierten. Eine Soziologin erklärte u.a. in dieser Zeitung, warum sie "im Zweifel gegen ein Verbot" sei. Eine Presse-Kollegin rief nach Forschungsarbeiten, um Sommerlöcher zu vermeiden. Richtig. Wobei: Ohne vorherige "Sommerlochdebatte" hätte sie die Forderung nach Fakten wohl nicht erhoben.

Die Alphas in der Politik sahen keinen "Anlassfall" für eine Debatte (SPÖ) oder sprachen wegen der geringen Zahl an Trägerinnen von Themenverfehlung (ÖVP).

Der Anlassfall für die nächste Debatte kommt aber wie das Amen im Gebet, sei es 2015 oder 2020. Denn Burka oder Niqab berühren Grundsatzfragen des Zusammenlebens - pro Kopf gibt es in Frankreich nicht viel mehr Trägerinnen als bei uns. Hoffentlich läuft die Debatte dann mit mehr Fakten und mehr Emanzipation von der FPÖ. Die Alphas sollten davor ihre Reflexe überprüfen.