Mehrheit der Franzosen ist dafür. | Musliminnen drohen mit Klage. | Paris. Kaum war Frankreichs Burka-Verbot offiziell in Kraft getreten, kam es am Montag zu den ersten Verhaftungen. Eine kleine Gruppe aus Gegnern des Gesetzes, darunter zwei vollverschleierte Frauen, hatte sich vor der Kathedrale Notre-Dame in Paris zu einer Protest-Aktion versammelt - die nicht genehmigt war. "Es ging uns nicht darum, diese Leute wegen der Schleier festzunehmen", stellte Kriminaldirektor Alexis Marsan klar. Bereits am Samstag hatte die Polizei rund 60 Menschen bei einer verbotenen Demonstration kurzzeitig verhaftet.
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Sie wolle nicht provozieren, rechtfertigte sich die Aktivistin Kenza Drider im Niqab, der nur einen Schlitz für die Augen freilässt. "Ich begehe kein Delikt. Ich habe nicht gestohlen, nicht getötet, ich habe nichts zerstört, sondern wende nur meine Bürgerrechte an", sagte die Frau, die für die Kundgebung im Zug vom Avignon nach Paris gefahren war. Doch seit Montag ist es verboten, im öffentlichen Raum einen Ganzkörperschleier wie Burka oder Niqab zu tragen. Das betrifft Busse und Bahnen, Behörden und Krankenhäuser, Schulen, Geschäfte oder Restaurants, aber auch Parks und Straßen. Eine Ausnahme bilden lediglich Privatautos, -räume und der Bereich um Moscheen.
Nachdem Belgien ein entsprechendes Gesetz beschlossen, aber noch nicht umgesetzt hat, ist Frankreich das erste europäische Land mit einem Vermummungs-Verbot, das sich gegen die Burka als Zeichen der Unterdrückung der Frau wendet. Eine Mehrheit der Bevölkerung stimmte der Regelung zu, die im Herbst vom französischen Parlament beschlossen wurde und seit gestern nach einer sechsmonatigen Übergangsfrist gilt.
Strafen von bis zu 60.000 Euro
Für Frauen im Ganzkörperschleier sieht es eine Geldbuße von bis zu 150 Euro vor sowie die Pflicht zum Staatsbürgerkunde-Unterricht. Männer, die eine Frau zum Tragen des Schleiers zwingen, riskieren sogar ein Jahr Haft und eine Strafe von bis zu 30.000 Euro - bei minderjährigen Frauen doppelt so viel.
Ein Rundbrief des Innenministeriums an die Polizeikommissariate verbietet es den Beamten, die Frauen zur Abnahme des Schleiers zu zwingen oder in irgendeiner Form Gewalt anzuwenden. Stattdessen sollen sie "Überzeugungsarbeit" leisten.
Das Gesetz werde "unendlich schwierig anzuwenden" sein und künftig wohl auch "unendlich selten angewandt", sagte der stellvertretende Generalsekretär der Polizeigewerkschaft, Manuel Roux. Statistiken zufolge leben in ganz Frankreich nur 500 bis 2000 Frauen, die Niqab oder Burka tragen. "Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn wir eine verschleierte Frau in einem Problemviertel ansprechen", warnte Roux.
Das Gesetz hatte für lautstarke Debatten in Frankreich gesorgt, in dem mit mehr als fünf Millionen Muslimen die größte muslimische Gemeinde Europas lebt. Für die Regierung zählte es als symbolhafte Aktion, die Werte der Republik zu verteidigen, zu denen Laizität gehört, die Trennung von Religion und Staat. Auch derzeit schürt sie die Diskussion über die Rolle des Islam in Frankreich. Sie versucht, der erstarkenden rechtsextremen Partei Front National beizukommen, indem sie deren Themen besetzt.
Der Europarat hatte das Gesetz ebenso kritisiert wie Menschenrechtsorganisationen.