ASEAN-Staaten drängen auf Geberkonferenz | In Burma drohen tausende Kleinkinder zu verhungern, wenn sie nicht rasch nahrhaftes Essen bekommen. Mit diesem Schreckensszenario schlug die Hilfsorganisation Save the Children am Sonntag Alarm. Auch zwei Wochen nach dem verheerenden Zyklon "Nargis" verwehrt die Junta internationalen Helfern den Zutritt zu den am schwersten verwüsteten Gebieten. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon will am Mittwoch oder Donnerstag mit den Militärmachthabern über die Hilfslieferungen an die Bedürftigen sprechen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind bis zu 2,5 Millionen Menschen dringend auf Hilfe angewiesen. Der britische Premierminister Gordon Brown verurteilte das Regime als "menschenverachtend". Es werde dafür zur Rechenschaft gezogen, dass es die Landsleute im Stich lasse.
Gespräche am 22. oder 23. Mai möglich
Auf Druck der Südostasiatischen Staatengemeinschaft (ASEAN) hat sich die Junta am Montag zu einer Geberkonferenz in Rangun am 22. oder 23 Mai bereit erklärt. Zudem solle ASEAN-Generalsekretär Surin Pitsuwan nach Burma reisen, um sich ein Bild vom Ausmaß der Katastrophe zu machen, sagte Thailands Außenminister Noppadon Pattama der Nachrichtenagentur AFP.
Am Samstag durften rund 60 Diplomaten und UNO-Vertreter unter Militäraufsicht erstmals in das Irrawaddy-Delta. Vor der Küste kreuzen freilich Kriegsschiffe aus Frankreich, den USA und Großbritannien mit tausenden Tonnen Hilfsgütern an Bord und warten auf eine Entladeerlaubnis.
Nach Angaben von Save the Children waren in der Region schon vor dem Zyklon, der in der Nacht auf den 3. Mai nach Schätzungen mehr als 130.000 Menschenleben forderte, 30.000 Kinder unterernährt. "Wir sind in größter Sorge, denn viele Kinder in den betroffenen Gebieten leiden schon unter akuter Unterernährung, der schwersten Form von Hunger. Wenn hungernde Menschen dieses Stadium erreicht haben, können sie innerhalb weniger Tage sterben", sagte Jasmine Whitbread in London. Vor allem Kleinkinder seien in Gefahr.
Show für Diplomaten
Die Diplomaten und UNO-Mitarbeiter wurden im Irrawaddy-Delta mit Armeehubschraubern nur in Ortschaften wie Pyapon und Bogalay gebracht, wo die Armee Zelte für Überlebende aufgebaut hat. Sie sahen einige hundert gut versorgte Zyklon-Opfer. "Was sie gezeigt haben, sollte den Anspruch unterstreichen, dass alles bestens organisiert ist", sagte ein Teilnehmer. Hilfsorganisationen berichten, dass weiter Zehntausende ohne jegliche Hilfe ausharren.
Am Sonntag kam in Rangun eine Hilfslieferung aus Japan mit Wassertanks, Generatoren und Zelten an. Das Material wurde wie vorgeschrieben zur Verteilung an die Armee übergeben. Nur einheimische Mitarbeiter etablierter Hilfsorganisationen dürfen selbst ins Katastrophengebiet. Ein Ärzteteam aus Thailand traf am Samstag ein, darf sich aber nur im Großraum Rangun bewegen. Die Helfer mussten am Samstag vier Stunden auf Landerlaubnis für ihr Flugzeug warten. Das Team soll bis Ende Mai bleiben.
Der für Asien zuständige britische Minister Mark Malloch Brown versuchte in Rangun die Junta zu bewegen, wenigstens mehr Hilfe von den asiatischen Nachbarstaaten zu akzeptieren. Die Außenminister der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN wollten sich am Montag in Singapur treffen. Burma ist Mitglied, und sein Außenminister Nyan Win wurde bei den Beratungen erwartet. Der UNO-Koordinator für humanitäre Hilfe, John Holmes, sollte am Sonntagabend in Rangun eintreffen. Er hat einen dritten Brief von Generalsekretär Ban Ki-Moon an Juntachef Than Shwe dabei. Die ersten beiden blieben unbeantwortet. Than Shwe hat nach Angaben der Vereinten Nationen auch keine Telefonanrufe von Ban entgegengenommen.
Der französische Flugzeugträger "Mistral" kreuzt seit Samstag vor der burmesischen Küste. Das Schiff hat gut 1.000 Tonnen Hilfsgüter an Bord, darunter Nahrungsmittel, mit denen 100.000 Menschen zwei Wochen versorgt werden könnten, sowie Notunterkünfte für 60.000 Menschen. "Wir können nicht mit verschränkten Armen abseitsstehen, wenn wir die Mittel in der Gegend haben, die es uns erlauben, den Menschen zu helfen", sagte Verteidigungsminister Herve Morin im Rundfunk. Eine Erlaubnis, die Hilfe auszuliefern, gab es allerdings nicht. Ein Versuch Frankreichs, die Machthaber mittels einer UNO-Resolution zur Kooperation zu zwingen, scheiterte bisher am Widerstand Chinas.
Militär spielt Abstimmungsfarce
Die burmesische Demokratiebewegung unter der Führung der unter Hausarrest stehenden Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hat das Resultat der von der Junta durchgeführten Abstimmung über die Verfassung zurückgewiesen. "Das Ergebnis ist komplett falsch", sagte der Sprecher der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), Nyan Win, am Samstag. Die Behörden hätten die Menschen gezwungen, mit Ja zu stimmen. Außerdem sei die Abstimmung nicht geheim gewesen.
In 47 von dem Zyklon "Nargis" am schwersten verwüsteten Bezirken soll Ende nächster Woche abgestimmt wird. Die Machthaber hatten das Referendum am vergangenen Samstag eine Woche nach der Wirbelsturmkatastrophe ungeachtet internationaler Kritik durchgezogen.
Nach Angaben der Junta votierten 92,4 Prozent für die Verfassung, 20,7 Millionen Menschen hätten ihre Stimme abgegeben. Nach Angaben der Demokratiebewegung drohten Behörden in einigen Bezirken bei Nein-Stimmen mit Haft- und Geldstrafen. In manchen Fällen stellten Wähler fest, dass ihr Votum längst eingetragen war, als sie in die Abstimmungslokale kamen. Beobachter in dem südostasiatischen Land berichteten, viele Bürger seien gezwungen worden, in aller Öffentlichkeit mit "Ja" zu stimmen.
Die Verfassung stattet die Streitkräfte auch für den Fall von zugesagten "Mehrparteienwahlen" im Jahr 2010 mit einem Vetorecht im Parlament und in der Regierung aus. In beiden Parlamentskammern ist ein Viertel der Mandate dem Militär vorbehalten, gegen dessen Willen die Verfassung nicht geändert werden kann.
(APA)