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Burmas Behörden streiten um einen Sträflingsanzug

Von Alexander U. Mathé

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Win Tin, ehemaliger politischer Gefangener, Journalist und Poet weigert sich, seine Häftlingskleidung zurückzugeben oder zu erstatten.


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Manchmal im Leben sind schon kleine Beträge zu viel. Ohne, dass man Genaueres über die Hintergründe wüsste, forderte seine alte burmesische Haftanstalt die Gefängniskleidung von Win Tin zurück, die er dort jahrelang getragen hatte. Das, obwohl der Demokratie-Aktivist bereits vor fast fünf Jahren freigelassen wurde. Der Wert der blauen Kluft: umgerechnet ein Euro und fünfzig Cent. Tin erklärt sich außerstande, das Teil zurückzugeben; er habe es verloren. Dabei hat es mit dem wenig schmeichelhaften blauen Kaftan eine besondere Bewandtnis. Win Tin war einer von Burmas führenden Journalisten. Daneben nahm die Literatur einen großen Platz in seinem Leben ein: Er schrieb Gedichte und hatte 1953 sein Studium in englischer Literatur und Politikwissenschaft an der Universität Rangun abgeschlossen. 1988 formierte sich die Demokratiebewegung mit immer größer werdenden Protesten in Burma. Nachdem diese von der Militärregierung blutig niedergeschlagen wurden, half Tin der heutigen Ikone der Freiheitsbewegung, Aung San Suu Kyi, die Partei Nationale Liga für Demokratie zu gründen. Ein Jahr später wurde er im Alter von 60 Jahren verhaftet, weil er dort einen hohen Posten bekleidete und wegen seiner aufwieglerischen Schriften. Tin hatte zudem versucht, die UNO über die Menschenrechtsverletzungen in burmesischen Gefängnissen zu unterrichten. Nun sollte er diese selber kennenlernen, und zwar 19 Jahre lang - komplett isoliert und in Einzelzellen, da die Militärs die Macht seines Intellekts fürchteten.

2005 fand die Demokratiebewegung eine neue Form des Protests: Aus Solidarität mit den politischen Gefangenen trugen Aktivisten die Farbe der Gefängniskleidung: Weiß. Das Regime, das Menschen nicht einfach wegen des Tragens eines weißen Hemds verhaften konnte, änderte daraufhin die Gefängniskleidung auf Blau. Als Win Tin Ende 2008 aus der Haft entlassen wurde, weigerte er sich den blauen Sträflingsanzug auszuziehen und Zivilkleidung anzulegen. Er fühle sich nicht frei, erklärte der 80-Jährige und solange noch hunderte andere Gefangene aus politischen Gründen inhaftiert seien, werde er weiter blaues Gewand zum Zeichen der Solidarität tragen. Als der Gefängnisdirektor auf ihn einredete, das Teil zurückzugeben, steckte er sich die Finger in die Ohren. Wenn die Haftanstalt darauf bestünde, das Stück zurückzubekommen, werde er das Gefängnis nackt verlassen, so Tin. Dort lenkte man schließlich ein - bis diese Woche die Aufforderung einging, das Stück zurückzugeben.

Bewunderer Win Tins haben bereits angeboten für ihn die Rechnung zu begleichen, doch Tin hat abgelehnt: Hier geht es ums Prinzip und nicht um einen Euro fünfzig.