Stagnation durch lange Dienstzeit. | Warnzeichen werden nicht wahrgenommen. | Wien. "Es ist, wie wenn man ungebremst gegen eine Wand fährt", beschreibt ein Betroffener: Für viele ältere Arbeitnehmer kommt ein Burnout völlig überraschend. "Es kann ein langjähriger Angestellter in einem einfachen Beruf sein, der Familie hat und schon ein Haus gebaut hat. Und plötzlich hat er Panikattacken", weiß die Psychologin und Burnout-Expertin Theresia Gabriel.
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Sie kennt auch andere Fälle - zum Beispiel einen 31-jährigen Manager, der vier Jahre lang 14 Stunden täglich gearbeitet hat und zwischen New York und Peking gependelt ist. "Der ist am Flughafen plötzlich umgekippt und war arbeitsunfähig."
Eine Million Menschen sind burnoutgefährdet
Die Experten bei der Podiumsdiskussion "Burnout mit 45+" waren sich am Montagabend einig, dass das Erschöpfungssyndrom längst nicht mehr nur eine Managerkrankheit und auch auf keine bestimmte Altersgruppe beschränkt ist.
Laut Rudolf Kaske, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Vida, sind in Österreich "rund eine Million Arbeitnehmer gefährdet". Die Zahlen stammen aus einer aktuellen Studie über Burnout im Gesundheits- und Sozialbereich, bei der 823 Arbeitnehmer befragt wurden.
Zahlen über Burnout zu finden, ist schwierig, meint Gabriel. Es gebe lediglich Stichproben einzelner Berufsgruppen. Außerdem würde der Begriff "Burnout" leichtfertig verwendet, um mitzuteilen, dass man mit der Arbeit nicht mehr zurechtkommt. Es verkauft sich einfach besser zu sagen, man leide unter einem Burnout, als dass man depressiv sei, bringt Gabriel als Beispiel.
"Aus Unternehmenssicht ist das natürlich irrsinnig schwierig einzuordnen", erzählt Gabriele Kellner, Personalmanagerin bei Raiffeisen Capital Management. Für sie ist Burnout ein "Gemisch aus beruflichen und privaten Themen". Wichtig sei es natürlich, mit Stress richtig umgehen zu können. Stress allein ist laut dem Psychiater und Neurologen Rudolf Karazman nicht die Ursache für Burnout. Denn die Herausforderung in der Arbeit sei wichtig. Wenn diese fehlt, weil man seit zehn Jahren dieselbe Tätigkeit ausübt, dann sei die Burnout-Gefahr groß. Die Arbeit verliert Sinn, und auch die langjährigen Arbeitskollegen werden nicht mehr als Bereicherung empfunden.
"Es muss im Beruf eine Balance geben zwischen Herausforderung, Bereicherung und Verausgabung", meint Karazman. Bei einer falschen Mischung dieser Faktoren, droht Burnout. Besonders gefährdet seien Arbeitnehmer in einem Mensch-zu-Mensch-Beruf. Der Patient oder Klient, der eigentlich der Arbeitsinhalt ist, wird dann schlecht gemacht. "Das ist nötig, damit man sich aus dieser Beziehung herausnehmen kann", erklärt Karazman.
Im Alter wird das Burnout-Risiko dadurch verschärft, dass das Zentralnervensystem schon angeschlagen ist und die Menschen stressintoleranter werden, weiß er. Laut der Burnout-Studie sind vor allem Menschen zwischen 31 und 50 Jahren burnoutgefährdet.
Der Betroffene allein ist nicht schuld
Was kann man gegen die drohende Gefahr tun?
Gabriel warnt vor den typischen Ratschlägen wie "Du musst nein sagen lernen" oder "Du musst delegieren". Das würde bei dem Betroffenen den Eindruck machen, selbst schuld an seiner Situation zu sei. "Man kann viel im Unternehmensumfeld tun", meint die Psychologin.
Flexible Arbeitszeitregelungen oder Herausforderungen durch interne Stellenwechsel sind nur einige Beispiele. Natürlich müsste auch der Mitarbeiter Eigenverantwortung übernehmen. "Man muss seine Grenzen kennen lernen und diese akzeptieren", so Gabriel. Dem stimmt auch Kellner zu: "Der Arbeitgeber kann noch so gute Rahmenbedingungen schaffen. Es liegt auch viel an den Mitarbeitern selbst."
Karazman rät zu "lebensphasengerechten Berufsabschnitten". Ein älterer Arbeitnehmer könnte vielleicht vom Arbeitspensum her weniger leisten, dafür würde er sich durch Kompetenz auszeichnen. Wichtig ist auch, Vertrauenspersonen im Betrieb zu haben. Gerade ältere Arbeitnehmer würden sich nämlich nicht trauen, ein Burnout zuzugeben - aus Angst vor dem Jobverlust.
Dazu meint Kellner, dass es in der heutigen Zeit "nicht leistbar ist, gute Mitarbeiter zu verlieren". Die Bereitschaft der Unternehmen, einen Mitarbeiter, der längere Zeit arbeitsunfähig war, wieder einzustellen, ist aber unterschiedlich. Gabriel glaubt, dass bei weniger gut verdienenden Arbeitnehmern die Bereitschaft "sicher nicht so groß ist wie bei Top-Mana gern".
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