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Bürokratie à la EU

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Der britische Regierungschef David Cameron war beim EU-Gipfel wieder einmal ganz unüberhörbar sauer. Diesmal aus verständlichem Grund. Die Neuberechnung der Wirtschaftsleistung der EU führte zu einer Neugewichtung der 28 Kräfte. Die Briten müssten demnach 2,1 Milliarden Euro nachzahlen, teilte die EU-Kommission eher lapidar mit. Cameron war außer sich, dass dies in Brüssel als bürokratischer Vorgang gewertet wurde und nicht als inhaltliche und politische Bombe.

Das Beispiel zeigt, wie wichtig jene Re-Politisierung der EU-Kommission ist, die ihr künftiger Präsident Jean-Claude Juncker anstrebt. Der Streit mit Cameron wäre vermeidbar gewesen - höflich formuliert. Bei den geltenden Fiskalregeln wäre es noch verrückter, die Budgets von Frankreich, Italien und Österreich stur nach den Buchstaben zu interpretieren, wie es die Kommission (noch) so gerne tut.

Ein Beispiel: Frankreichs Wirtschaftsdaten sind schwach, das Wachstum müsste dringend angekurbelt werden. Frankreich ist die zweitwichtigste Volkswirtschaft Europas, daher liegt es im Interesse aller, wenn das Land wieder auf die Füße kommt. Weiter zu sparen nur für ein Zahlengerüst, das darüber hinaus die Arbeitslosigkeit erhöht, klingt nicht nur sinnlos, es ist es.

Es geht vielmehr darum, wofür Frankreich das Geld ausgibt. Das aber ist eine sachpolitische Frage, aber auf gar keinen Fall eine statistische.

Um dieses Stadium zu erreichen, benötigt die Europäische Union keine bürokratischen Formalprozesse, sondern Akteure, die dynamische Entwicklungen steuern können.

Am Grundsatz stabiler Haushalte muss sich nichts ändern, wenn mehr Geld ausgegeben wird. So wäre es goldrichtig, die Steuerreform in Österreich 2015 teilweise auf Pump zu starten, aber gleichzeitig verbindliche Reformen zu vereinbaren. Denn in Österreich ist die Ankurbelung des Privatkonsums sehr notwendig. Italien müsste in das von Silvio Berlusconi devastierte Schulsystem investieren. Kurzfristig auf Schulden (inklusive Reformen), warum nicht?

Das allerdings benötigt eine EU-Kommission, die ihrerseits politisch denkt und Maßnahmen an ihrer Relevanz und nicht am Kalender orientiert. Und die Regierungschefs müssen lernen, dass versprochene Reformen auch geliefert werden müssen. Wenn dagegen die Bürokratie siegt, dann hat Europa verloren.