Bei der Vorgehensweise, wie im Weißen Haus Entscheidungen getroffen werden, hat US-Präsident Barack Obama einen neuen Stil eingeführt.
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Wenn in der Regierung von US-Präsident Barack Obama über die außenpolitische Vorgehensweise diskutiert wird, fällt oft der Begriff "Regular Order" (planmäßiger Ablauf). Das klingt wie ein militärischer Ausdruck, stammt aber aus Senat und Repräsentantenhaus, wo viele Regierungsmitglieder herkommen.
Was geschähe, wenn ein hochrangiger Regierungsbeamter ganz einfach ins Oval Office marschierte, um dem Präsidenten seine politische Lieblingsinitiative ans Herz zu legen? Obama würde ihm mitteilen, dass diese Angelegenheit noch nicht vom Team geprüft und daher nicht "Regular Order" sei. Und er würde ihn kurzerhand wegschicken, sagt ein Berater. Das gehört zu den typischen Vorstellungen Obamas, wie Regierungsarbeit sein sollte: geordnet, systematisiert, ohne Überraschungen.
Im zweiten Jahr seiner Präsidentschaft hat sich das Regierungsteam allmählich an den bürokratischen Schongang gewöhnt und ein System zur Bearbeitung von Sicherheitsstrategien entwickelt, passend für eine große Bandbreite globaler Themen - und das funktioniert dann zack, zack, zack.
Das Ergebnis konnte man sich diese Woche ansehen, beim 47-Nationen-Atomgipfel - einem der Themen, die es bis zu Obamas Schreibtisch geschafft haben. Das war "Regular Order" mit Steroiden: Limousinen rasten durch die Stadt und transportierten Politiker zu Konferenzen oder Treffen mit dem US-Präsidenten, mit heulenden Sirenen und unterstützt von Polizisten, die alle Normalsterblichen verscheuchten. Es musste Montag sein, denn Präsident Wiktor Janukowitsch akzeptierte Obamas Vorschlag zur Sicherung der ukrainischen Urananreicherung. Alles nach Plan.
In all dem Aufruhr ging allerdings ein großer Strategievorstoß fast unter, nämlich das Abrücken von überkommenen Vorstellungen der Atomgefahr und das Umschwenken zur Bedrohung durch Atom-Terrorismus. Diese Veränderung der nuklearen Strategie löste in jüngster Vergangenheit einen Sturm von politischem Schriftverkehr aus, aber ohne das disziplinierte Verfahren des National Security Council (NSC) kann nichts umgesetzt werden. Hier kommen Obama und seine "Regular Order"-Vorliebe ins Spiel. Unglaublich viel ist in den letzten zwei Wochen passiert. Hinter dem manischen Arbeitsplan steckt durchaus Methode.
Viel von seiner außenpolitischen Checkliste kann Obama bereits abhaken: das Bild der USA in der Welt verbessern, die Beziehungen zu Russland verbessern; die Beziehungen zu Pakistan verbessern, um den Rückzug aus Afghanistan vorzubereiten; einen indisch-pakistanischen Dialog in Gang bringen; sich um den Iran bemühen, damit später glaubwürdig härtere Sanktionen verlangt werden können - fertig; und schließlich einen neuen Nahost-Friedensplan erstellen - fast fertig. All das ist durch ein gut organisiertes NSC gegangen.
Die "Regular Order"-Methode hat Obama auch als Antwort auf den eher chaotischen Stil seines Vorgängers etabliert. Während der zweiten Amtszeit hatte George W. Bush seine Politik zunehmend personalisiert, bei Videokonferenzen war keineswegs immer sichergestellt, dass wirklich alles niet- und nagelfest war. Während Bushs erster Amtszeit herrschte im NSC Chaos pur - und so auch in seiner Außenpolitik.
Diesbezüglich besteht bei Obama wenig Gefahr. Ihm könnte aber zum Verhängnis werden, dass er versucht, zu viel zu tun. Er ist betont ordnungsliebend, aber auch sehr ambitioniert und lässt nicht gern eine Gelegenheit ungenützt.
Eines aber kann man mit Sicherheit sagen: Obama hat ein kohärentes, ziemlich einwandfrei funktionierendes NSC aufgebaut, um die meisten - wenn nicht sogar alle - anstehenden Drahtseilakte bewältigen zu können.
Übersetzung: Redaktion Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".