Einen europäischen Standard für Ämter gibt es noch nicht - doch so unterschiedlich die Länder, so ähnlich verworren sind die Behördengänge.
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Es hat nicht einmal ein dreiviertel Jahr gedauert. Schon konnte ich soeben meinen belgischen Personalausweis in Empfang nehmen. Lediglich fünf Mal musste ich zu dem Zweck vorsprechen. Einen Haufen Papiere musste ich ebenfalls vorlegen - aber ich erhielt auch etwas dafür zurück. Jedes Mal verließ ich das imposante Bezirksamt des Brüsseler Stadtteils St. Gilles, das nur wenig kleiner ist als das prachtvolle Rathaus auf dem goldverzierten zentralen Großen Platz, mit einer neuen Empfangsbestätigung. Nur ein Mal ging ich leer aus, weil die Firma, die die Ausweise liefert, ein technisches Problem hatte. Aber, wie erwähnt, der fünfte Behördengang war von Erfolg gekrönt.
Meine Freundin P. stand vor einer anderen Herausforderung: Sie wollte ein Parkpickerl. Damit ersparen sich auch Einwohner Brüssels jede Menge Geld für Strafzettel. Allerdings müsste das Auto in Belgien registriert sein. P. hatte jedoch deutsche Kennzeichen. Eine Lösung wurde trotzdem gefunden, Ausnahmeregelungen sei Dank: Damit P. ihr privates Fahrzeug an ihrer Privatadresse parken durfte, brauchte sie nur den Nachweis zu erbringen, dass ihr Arbeitgeber seinen Hauptsitz in Deutschland und eine Filiale in Belgien hat. Ein paar Monate und Amtstermine später hatte sie ihr Parkpickerl.
Aber, fügt P. hinzu, in Deutschland sei es auch nicht einfacher. Im Gegenteil. Dort ist sie gleich acht mal umgezogen - und musste nicht nur sich selbst in dem anderen Bundesland registrieren: Jedes Mal, wenn sie sich umgemeldet hat, musste sie das gleiche für ihr Auto tun.
Behörden sind nicht unbedingt dafür bekannt, dass sie ihren Bürgern das Leben erleichtern wollen. Und schon gar nicht den Bürgern eines anderen Staates. Das gilt auch innerhalb der Europäischen Union - Niederlassungs-Freiheit hin, Arbeitnehmer-Freizügigkeit her.
Etwas mehr als zwölf Millionen EU-Bürger leben und arbeiten in einem anderen EU-Land - drei Prozent der europäischen Arbeitskraft, wie es die Statistik nennt. Das ist nur die offizielle Zahl; es sind jene Menschen, die in irgendeiner Form angemeldet sind.
Die Europäische Kommission findet, dass die Mobilität der Arbeitnehmer höher sein könnte. Die sei in anderen Teilen der Welt - etwa in den USA oder Australien - nämlich mehr ausgeprägt als in der EU. Daher hat die Brüsseler Behörde schon ein paar Vorschläge gemacht, wie der länderübergreifende Verwaltungsaufwand in den Mitgliedstaaten verringert werden kann. Die Pläne reichen vom Wegfall bisher notwendiger Beglaubigungen von Dokumenten über die Vereinheitlichung von Amtsverfahren bis hin zur Stärkung der Rechte ausländischer Arbeitnehmer.
Nun lassen sich Menschen freilich nicht in erster Linie wegen der Bürokratie von der Emigration abhalten - von der Anmeldung in einem anderen Land aber so mancher schon, egal ob er aus Polen, Deutschland, Rumänien oder Österreich kommt. Denn so unterschiedlich die Mitgliedsländer der Union auch sind, so ähnlich verworren können die Behördengänge in jedem einzelnen sein. Zwar wird der EU manchmal vorgeworfen, mit ihren Regelungsversuchen noch mehr bürokratische Hürden zu schaffen. Doch gäbe es einen gemeinsamen Standard für EU-Bürokratie - die Länder würden ihn wohl alle noch übertreffen.