Die Schönwetterregeln des europäischen Binnenmarkts kommen in den Stürmen der Finanzkrise ordentlich unter Druck. In Zeiten der Hochkonjunktur sorgen die EU-Wettbewerbshüter unter der eisernen Hand von Kommissarin Neelie Kroes dafür, dass Kartellsünder Milliardenstrafen an die Union abliefern. Darüber hinaus hat die Niederländerin ein wachsames Auge darauf, dass Regierungen einzelnen Unternehmen nicht zulasten der Konkurrenz unter die Arme greifen.
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Dass nämlich eines Tages auch marode Banken unter so gut wie allen Umständen vom Staat gerettet werden müssten, das hatten die Autoren des Gemeinschaftsrechts einst nicht vorausgesehen. Umso hektischer drängten die europäischen Finanzminister in den vergangenen Wochen die Kommission, endlich die diversen staatlichen Bankenhilfspakete frei zu geben. Am Ende des bürokratischen Spagats zwischen - unter anderen Umständen - bedenklichen Staatshilfen und Aufrechterhaltung der Wettbewerbsordnung steht nun ein Kompromisspapier mit vielen Fragezeichen.
Die Leitlinien der EU-Kommission sehen vor, dass durch die Unterstützung seitens der öffentlichen Hand kein Finanzinstitut Vorteile gegenüber ausländischen oder inländischen Wettbewerbern haben darf. Allerdings führt die Genehmigung für staatliche Haftungen und Eigenkapitalspritzen dazu, dass es sich in Zukunft wohl kaum ein Institut leisten kann, auf derartige Hilfen zu verzichten - selbst wenn es wirtschaftlich gut aufgestellt ist.
Staat trägt das Risiko
Der Staat übernimmt nämlich an Stelle privater Investoren weite Teile des Risikos: Ein derart gutes Bonitätsrating kann kaum eine Bank von sich aus in die Waagschale werfen. Anstatt die Vertrauenskrise abzubauen, die die Märkte lähmt, werden Investoren nun durch die Hilfsaktion dazu ermuntert, nicht staatlich geschützte Institute zu ignorieren.
Um diesem Teufelskreis zu entkommen, sollen Banken als Gegenleistung für die Staatshilfe ein Entgelt bezahlen, das möglichst nahe am Marktpreis für derartige Haftungen oder Eigenkapitalspritzen liegt. Je riskanter das Investment, desto höher die Kosten. Darüber hinaus werden wirtschaftlich gesunde Banken mit deutlich geringeren Auflagen bedacht als solche, die vom Staat aus einer Schieflage gerettet werden.
Dies stellt einerseits sicher, dass einzelne Banken und deren Eigentümer nicht für die Misswirtschaft vergangener Jahre belohnt werden. Nötige Strukturbereinigungen in der Branche sollen nicht künstlich verhindert werden. Abgesehen von der nur in Ansätzen beantworteten Frage, welche Institute als gut und welche als schlecht aufgestellt gelten, könnte diese Unterscheidung allerdings zu dem Paradoxon führen, dass Banken, die sonst gar nicht auf Hilfe angewiesen wären, relativ billig Wettbewerbsvorteile erlangen.
Laufende Evaluierung
Zwar will die EU-Kommission verhindern, dass Institute mit dem Staatsgeld auf Expansionstour gehen. So soll es etwa Einschränkungen bei der Übernahme von Konkurrenten geben.
Erklärtes Ziel ist aber eine Ausweitung der Kreditvergabe, und man wird Banken wohl kaum vorschreiben können, dass sie nur an bestehende Kunden Geld verleihen dürfen. Angesichts der drohenden Kreditklemme in Österreich mag ein offensiver Wettbewerb um Marktanteile noch Zukunftsmusik sein. Es scheint jedoch nicht unvernünftig, dass das Kompromisspapier aus Brüssel laufende Evaluierungen vorsieht und den Test an der Realität nicht auf eine allzu ferne Zukunft verschiebt.