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Bus und Bahn oder Sammeltaxi

Von Christine Zeiner

Wirtschaft

Gewerkschaft: Preise werden höher. | Wifo-Experte: Vorteile für Fahrgäste. | Wien. Wird "Österreich auf der Straße stehen"? Das sagen jedenfalls Eisenbahnergewerkschaft und Arbeiterkammer (AK) voraus: Sie rechnen damit, dass sich die von der Regierung geplante Nahverkehrsreform negativ auf hundertausende Menschen in Österreich auswirken wird.


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Von 1,1 Mrd. Euro, die der Bund für den Nahverkehr aufwendet, sollen 80 Mio. Euro an die Länder übertragen werden. "Jedes Bundesland wird in Zukunft seinen eigenen öffentlichen Verkehr planen - oder auch nicht", hieß es von der Gewerkschaft am Dienstag. Linien würden geschlossen, Fahrpreise erhöht werden, und es werde weniger Verkehrsverbindungen geben, prognostiziert sie.

Der Wiener Stadtrat für Stadtentwicklung, Rudolf Schicker, sieht das ähnlich: "Die von Bundesminister Gorbach angedachte Reform des Öffentlichen Regionalverkehrs bewirkt massive Verschlechterungen für Pendler, ÖBB, Länder und Umwelt", erklärte er in einer Aussendung.

"Sammeltaxis billiger"

Differenzierter beurteilt Wilfried Puwein, Verkehrsexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), die geplante Reform: Nicht nur der Bund, sondern auch Länder und Gemeinden könnten sich Kosten ersparen, und das komme den Fahrgästen zu Gute, meint er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

"Es kostet einen Haufen Geld, wenn etwa fünf Mal am Tag ein ÖBB-Bus in ein kleines Dorf fährt und nur ab und zu jemanden mitnimmt." Sammeltaxis, die bei Bedarf angerufen werden würden, kämen kostengünstiger - auch für Fahrgäste, wenn Länder und Gemeinden beim Ticket zuschießen. "Die Frage ist natürlich, inwieweit Länder und Gemeinden bereit sind, diese zu subventionieren", meint Puwein. Er gehe aber davon aus, dass diese die Mittel etwa im Rahmen des Finanzausgleiches - der Verteilung der staatlichen Einnahmen und Ausgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden - erhielten.

Die Regierung sei "bei der Bereitstellung von Mitteln für den öffentlichen Nahverkehr säumig", meinte hingegen Wilhelm Haberzettl, Vorsitzender der Eisenbahnergewerkschaft, am Dienstag vor Journalisten. Die geplante Nahverkehrsreform sei in erster Linie der Versuch, eine Finanzlücke von 200 Mio. Euro zu schließen.

"Kein Fleckerlteppich"

Der Bund gebe seine Verantwortung ab, kritisieren AK und Gewerkschaft. Das Argument der Arbeiterkammer, in Folge der Nahverkehrsreform entstünde "ein Bahn- und Bus-Fleckerlteppich", kann Puwein aber nicht nachvollziehen. Bahn-und Buslinien würden ausgeschrieben. Der Zuschlag gehe an jenen, der die geringsten öffentlichen Zuschüsse brauche - der jeweilige Betreiber müsse sich an Fahrpläne halten. "Es wird eine Dacheinrichtung geschaffen werden, die die flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmittel garantieren soll", erklärt Puwein.

In Deutschland und in der Schweiz würden ähnliche Nahverkehrssysteme "tadellos" funktionieren, sagt Puwein: "Es gab in beiden Ländern keine massiven Erhöhungen der Fahrpreise. Und gleichzeitig konnten die Gebietskörperschaften Geld sparen".