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Bush denkt auf seiner Ranch über "Kriegsjahr 2002" nach

Von Herbert Winkler

Politik

Washington - US-Präsident George W. Bush hat auch 2002 zu einem "Kriegsjahr" erklärt. Seine Berater machen klar, dass er damit nicht nur die Fortsetzung des Anti-Terror-Kampfes in Afghanistan meint. Auf seiner Ranch in Texas brütet er in diesen Tagen über das nächste Ziel und die Frage, mit welchen Mitteln er vorgehen will: Diplomatisch, wirtschaftlich oder auch militärisch.


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Als wahrscheinlichstes Objekt gilt das von Bürgerkriegsunruhen erschütterte Somalia, in dem sich nach US-Informationen Mitglieder der El-Kaida-Organisation aufhalten und wo keine starke Regierung für Ordnung sorgt. Amerikanische Medien sind sich darüber hinaus weitgehend einig, dass auch ein "Showdown" mit dem Irak und seinem Machthaber Saddam Hussein unvermeidlich sein werde. "Die Frage ist nicht, ob die USA gegen den Irak losschlagen, die Frage ist wann", zitierte das Nachrichtenmagazin "Newsweek" einen Regierungsbeamten.

Dafür lägen bereits Planspiele bereit. Der Generalstab prüfe den Vorschlag, jeweils 50.000 US-Soldaten an die Süd- und Nordgrenze des Iraks zu entsenden und von dort aus Bagdad in die Zange zu nehmen. Einen weiteren Plan, der stark an die jetzige Strategie in Afghanistan erinnert, habe der Anti-Terrorismus-Beauftragte des Weißen Hauses, Ex-Admiral Wayne Downing, schon 1998 vorgelegt, berichtete die "Washington Post". Danach sollten Aktionen der US- Luftwaffe und amerikanischer Elitesoldaten mit einer Offensive der kurdischen wie schiitischen Opposition verknüpft werden.

Für eine Militäraktion sind nach übereinstimmenden Berichten Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und sein Stellvertreter Paul Wolfowitz. Auch der frühere CIA-Direktor James Woolsey (1993-95) rührt unermüdlich die Trommel. Einflussreiche Senatoren forderten Bush auf, besser früher als später gegen Saddam vorzugehen. Unter ihnen ist Joseph Lieberman, der "Vize" des unterlegenen demokratischen Präsidentenbewerbers Al Gore.

Gegen eine Neuauflage des Afghanistan-Krieges im Irak sind Außenminister Colin Powell, sein Vertreter Richard Armitage, CIA-Chef George Tenet und skeptische Militärs. Der Irak sei mit Afghanistan nicht zu vergleichen, sagte Powell. Die irakische Opposition gilt als erheblich schwächer und noch zerstrittener als diejenige Afghanistans.

Mindestens ebenso groß sind die politischen Bedenken der Gegner eines neuen Golfkriegs. Die Anrainerstaaten verhalten sich bislang zurückhaltend bis ablehnend. Besondere Sorge hat die Türkei, die die Bildung eines kurdischen Staates im Nordirak befürchtet. Russen und Westeuropäer favorisieren Sanktionen und die Wiederaufnahme von Waffeninspektionen im Irak.

Der US-Oberkommandierende in Afghanistan, General Tommy Franks, hat verraten, dass offene und verdeckte Militäraktionen gegen den Terrorismus an vielen Orten der Welt stattfänden. Präsident Bush selbst hat anderen Staaten US-Soldaten angeboten, um ihnen beim Anti- Terror-Kampf beizustehen. Das liegt weit unter der Schwelle massiver Militäraktionen in Somalia oder Irak. Bush hat bisher nicht zu erkennen geben, welche Karte er als nächste ausspielen wird.