Die Bush-Regierung verfolgt nun offenbar tatsächlich eine andere Strategie. Der Wechsel war schon seit langem fällig. Das macht es allerdings nötig, dass Präsident Bush und sein Team genau das tun, was ihnen besonders schwer fällt, nämlich die außenpolitischen Ziele nach Prioritäten zu ordnen und sich dann mit aller Kraft erst einmal für die wichtigsten einzusetzen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Besonders deutlich zeigt sich der Wandel der Bush-Regierung bei der plötzlichen Bereitschaft, mit dem Iran und mit Syrien über den Irak und die Sicherheit in der Region zu reden. Noch vor einem Jahr, als die Iraner das Verhalten der USA als Annäherungsversuch deuteten und ihrerseits Verhandlungsbereitschaft signalisierten, zog sich die Bush-Regierung zurück. Das war ein sehr ernster Fehler, der die Katastrophe im Irak nur noch verschlimmert hat.
Nun ändert also Präsident Bush seinen Kurs und stimmt der Konferenz in Bagdad zu. Aber die Bush-Regierung sollte nicht an den Verhandlungstisch gehen und sich die Nase zuhalten. Wenn sie es mit dem Wandel ernst meint, sollte sie dieses erste Treffen nützen, um regelmäßige Gespräche mit dem Iran über den Irak zu etablieren. Die Bush-Regierung müsste zugleich endlich auch einen wirklichen Dialog mit Syrien in Gang bringen und dafür alle unausgegorenen Ideen über einen Regierungswechsel in Syrien zu den Akten legen. Die Syrer stellen im Libanon eine überaus ernste Gefahr dar - umso mehr ein Grund, mit ihnen in Verhandlungen zu treten.
Der richtige Mann für diese heikle Mission wäre wohl James Baker, der die Syrer aus seiner Zeit als US-Außenminister sehr gut kennt. Und es ist ja nicht so, dass er am jetzigen Geschehen keinen Beitrag hätte, ganz im Gegenteil: Die Bush-Regierung scheint nun die Empfehlungen der Baker-Hamilton-Studiengruppe zum Irak endlich anzunehmen, die sie bisher abgelehnt oder verwässert hat.
Beherzt schwierige diplomatische Entscheidungen zu treffen, das wird besonders auch dann nötig sein, wenn die Bush-Regierung es ernst meint, Frieden zwischen Israel und den Palästinensern vermitteln zu wollen.
US-Außenministerin Condoleezza Rice verhält sich in dieser Angelegenheit manchmal, als würde sie kaum ihre kleine Zehe in diesen Strudel stecken wollen, aber um Fortschritte zu machen, wird sie sich wohl ganz hineinbegeben müssen, und zwar kopfüber.
Und als echte Vermittlerin wird sie es dann auch nicht länger vermeiden können, ein paar Israelis und ein paar Palästinenser zu verärgern. Die Bush-Regierung entdeckt die Diplomatie aber auch in ihren Beziehungen zu China gerade wieder, wie sich bei den Sechs-Parteien-Gesprächen mit Nordkorea zeigte.
Die heikelste diplomatische Mission der USA könnte aber die russische sein. Der russische Präsident Putin ist der wichtigste Verbündete der USA bei den langwierigen Bemühungen, das iranische Atomprogramm zu stoppen. Wie Putin aber vor einigen Wochen in München bereits angekündigt hat: Die Unterstützung Russlands wird ihren Preis haben.
Daraufhin reiste Stephen Hadley, Bushs Sicherheitsberater, zu einem Gespräch mit Putin nach Moskau, das laut Beobachtern zufriedenstellend verlaufen sein soll. "Wir wollen euer Partner sein. Wir haben gemeinsame Interessen. Ihr müsst uns aber mit Respekt behandeln", so fasste ein hoher Beamter die russische Haltung anschließend zusammen.
Die Russen haben sich tatsächlich zu einem sehr verlässlichen Partner in Sachen Iran entwickelt. Aber was werden sie dafür verlangen? Das auszuhandeln, ist die hohe Kunst der Diplomatie.
Übersetzung: Hilde Weiss