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Bush-Freunde auf der Abschussliste

Von WZ-Korrespondentin Heike Warmuth

Politik

Skandale kratzen am Image von Bush. | Justizminister und Weltbankpräsident im Visier. | Republikaner gehen auf Distanz. | NewYork. "Bush wird Ehre und Integrität zurückbringen", war sich die Dallas Morning News, eine konservative Zeitung, am Halloween-Tag im Jahre 2000 sicher. Nicht nur die den Republikanern nahestehenden Medien waren davon überzeugt, dass im Weißen Haus bald ein frischer, ehrlicher Wind wehen würde, sondern auch die Mehrheit der US-Bürger, die einige Tage später - wenn auch knapp - George W. Bush zum 43. Präsidenten der Vereinigten Staaten wählten. Man glaubte Bushs Versprechen, war man doch den Skandalen im Weißen Haus unter Bill Clinton müde geworden.


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Doch nun, sechs Jahre nach Amtsantritt Bushs, scheinen die Amerikaner nicht mehr so recht davon überzeugt zu sein. Nicht nur der Irak-Krieg, sondern auch die vielen Skandale, die sich innerhalb der Bush-Regierung abgespielt haben, haben stark an der Glaubwürdigkeit des Präsidenten und seiner Regierungsfähigkeit gekratzt. Zu viele ehemalige Vertraute Bushs haben ihre Schreibtische räumen müssen. Die Vorwürfe gegen sie: Amtsmissbrauch, Vetternwirtschaft, Korruption, Irreführung der Justiz.

Zur Zeit stehen zwei der wohl prominentesten Bush-Freunde auf der Abschussliste: Alberto Gonzales, der Justizminister, und Paul Wolfowitz, Präsident der Weltbank und ehemaliger Vize im Verteidigungsministerium.

Gonzales wird vorgeworfen, bei der Entlassung von acht der 93 US-Bundesanwälten im letzten Jahr involviert gewesen zu sein. Er erklärte, dass nicht politische Gründe für die Entlassungen ausschlaggebend waren, sondern lediglich mangelnde Leistung. Doch Dokumente aus dem Justizministerium stellen Gonzales Behauptungen erheblich in Frage.

Trotz der stundenlangen Anhörung vor dem US-Senat will die Kritik an Gonzales nicht verstummen. "Ich kann mich nicht erinnern", verteidigte sich Gonzales vor den Senatoren über 70 Mal.

Kritik an Gonzales meint eigentlich Bush

Immer mehr auch einflussreiche Republikaner fordern lautstark den Rücktritt des engen Bush-Vertrauten mit mexikanischen Wurzeln. "Das ist ein ehrlicher, ehrenvoller Mann, in den ich mein Vertrauen setze", verteidigt Bush indes Gonzales und denkt keine Minute daran, seinen jahrelangen juristischen Berater und Freund hängen zu lassen.

"Es geht hier um persönliche Loyalitäten", sagt Rachel Maddow von der liberalen Radiostation Air America, "aber auch ein wenig darum, dass es manchen Republikanern gerade recht kommt, einen Watschenmann zu haben, bei dem sie sich austoben können. Das gibt ihnen die Chance, sich vom Präsidenten zu distanzieren. Und das ist wichtig für die anstehenden Wahlen 2008." Immerhin wollen die Republikaner am Kapitol ihre politischen Ämter behalten.

Oder, wie die Wochenzeitung Newsweek kürzlich spekulierte: "Der Rücktritt Gonzales würde die Demokraten ermutigen, andere Ziele zu verfolgen - wie etwa Karl Rove."

Der zieht als Berater von Bush im Hintergrund die Fäden - und soll auch in die Entlassung der Anwälte involviert gewesen sein. Schon Ende März hat Bush die Forderung der Demokraten abgelehnt, dass Rove zu den umstrittenen Vorgängen unter Eid aussagen soll. Der Präsident drohte sogar vor Gericht zu ziehen, falls der Kongress darauf bestehe. Den Demokraten, die im Senat wie im Abgeordnetenhaus die Mehrheit stellen, warf er vor, mit "Schauprozessen" politisch punkten zu wollen. Lediglich hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit würde Bush seinen Top-Berater Fragen beantworten lassen.

Neben Gonzales steht gerade auch ein anderer enger Vertrauter, der ehemalige Vize-Verteidigungsminister und jetzige Präsident der Weltbank, Paul Wolfowitz, unter Beschuss. Ihm wird vorgeworfen, seiner Freundin Shaha Riza finanzielle Vorteile verschafft zu haben. Sie soll, obschon ins US-Außenministerium transferiert, zusätzlich Gehalt von ihrer alten Arbeitsstelle, der Weltbank, einkassiert haben. "Der Präsident hat Vertrauen in Paul Wolfowitz und seine Arbeit bei der Weltbank", sagte Sprecherin Dana Perino.

Immer wieder hat sich Bush hinter seine engsten Weggefährten gestellt. Sie verteidigt, ihnen sein bedingungsloses Vertrauen zukommen lassen.

Loyalitäten bedeuten mehr als Kompetenz

Bushs ungebrochene, ja zuweilen sture Loyalität zu seinen engsten Mitarbeitern hat ihm an Anfang seiner Regentschaft viel Sympathie in der republikanischen Partei eingebracht. Als über die Jahre hinweg unzählige Skandale ruchbar wurden, rief sie aber zunehmend Kritik hervor.

Vor allem seine unerschütterliche Unterstützung für den ehemaligen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vor den Zwischenwahlen im letzten November ließ Misstöne aus den eigenen Reihen aufkommen. Die Republikaner verloren beide Kammern im Kongress. Die Schuld dafür schob man zum Teil auf Bush und seine schlechten Personalentscheidungen.

"Von Anfang an ging es dieser Regierung mehr um Loyalitäten als um Kompetenz", sagt Paul Light von der New York Universität in einem Interview. Er sieht die Skandale und Ermittlungen aber auch als "natürlichen Verfall", der sich fast bei allen US-Präsidentschaften in der zweiten Halbzeit einstellt.

Sturheit von Bush zeigt seine Schwäche

Dennoch: Gonzales, Wolfowitz, Rumsfeld und all die anderen ehemaligen Bush-Mitarbeiter, die unfreiwillig gehen mussten (siehe Liste), sind wohl auch ein Symbol. Ein Zeichen für die Schwäche der Bush-Regierung und wohl auch für den Machtverlust der USA insgesamt.

Bush kann es sich nicht erlauben, eine unkontrollierte Demontage seiner Männer zuzulassen, weil dies auch ihn als Gehetzten und Geschwächten erscheinen lässt. Je länger und vehementer er aber zu seinen ins Kreuzfeuer geratenen Leuten steht, um so unaufhaltsamer sägt Bush selber an seiner Glaubwürdigkeit.

Sogar sein Vater, der ehemalige US-Präsident Georg Bush, musste die Stimmung in Lande in einem Interview mit Larry King von CNN so beschreiben: "Es scheint, als ob sich eine kleine Bush-Müdigkeit eingestellt hat".

Minister, Stabschefs, Lobbyisten

Ehemalige US-Regierungsbeamte und ihre Interessenskonflikte:

Weltbankpräsident Paul Wolfowitz war stellvertretender Minister im Verteidigungsministerium und einer der Architekten des Irak-Kriegs. Er soll seiner Freundin, die von der Weltbank ins Außenministerium gewechselt war, weiterhin Gehalt gezahlt haben. Die Rufe nach seinem Rücktritt werden immer lauter.

Donald Rumsfeld, Verteidigungsminister, trat einen Tag nach den Zwischenwahlen im letzten November zurück. Präsident Bush hat ihm bis zuletzt die Stange gehalten und versichert, Rumsfeld würde bis zum Ende seiner Amtszeit im Dienst bleiben. Und das, obschon viele Militärs und Republikaner Rumsfeld für den desaströsen Kurs im Irak hauptverantwortlich machten. Die Republikaner kostete Bushs Loyalität zum 74-jährigen Rumsfeld und seine Irak-Politik beide Häuser im Kongress.

Lewis "Scooter" Libby, ehemaliger Stabschef von Vizepräsident Dick Cheney und Top-Berater der US-Regierung im Weißen Haus, wurde wegen Meineids und Irreführung des Gerichts in der Affäre um die Enttarnung der CIA-Agentin Valerie Plame verurteilt. Er ist damit der erste hohe Angestellte im Weißen Haus, der in den letzten 100 Jahren verurteilt wurde.

Matteo Fontana, Beamter im Bildungsministerium, der für die Studentenkredit-Geschäfte im Land verantwortlich ist, wurde zwangsbeurlaubt, nachdem herausgekommen war, dass er Aktien eines privaten Studentenkreditunternehmens im Wert von 100.000 Dollar besitzt.

Julie MacDonald, Leiterin des nationalen Fisch- und Artenschutzprogramms (Fish and Wildlife Service) soll, obschon keine Biologin, Artenschutz-Empfehlungen der hauseigenen Wissenschafter aufgehoben und interne Informationen an Unternehmen und Landbesitzer weitergegeben haben.

Philip Cooney, ein ehemaliger Lobbyist der "American Petroleum Instituts", hat zugegeben, in seiner Funktion als Stabschef des "White House Council on Environmental Quality" drei öffentliche Berichte über globale Erderwärmung manipuliert zu haben. Er arbeitet nun für Exxon Mobil.

Steven Griles, ehemaliger Lobbyist der Erdöl- und Gasindustrie, der später stellvertretender Innenminister war, wurde vergangenen Monat wegen seiner Rolle in der Schmiergeldaffäre um Jack Abramoff- verurteilt.

Siehe auchDruck auf Wolfowitz steigt