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Bush geht in die Offensive

Von Herbert Winkler

Politik

Washington - Unter dem Druck weltweiter Demonstrationen und der Gefahr einer Isolierung in der Irak-Politik hat US-Präsident George W. Bush die Flucht nach vorn angetreten. Wenige Stunden vor dem diplomatischen "Showdown" im Weltsicherheitsrat über Krieg oder Frieden ging er in der Nacht zum Freitag in Washington vor die Presse, um "so direkt wie möglich zur amerikanischen Bevölkerung zu sprechen" und ihr wie der Weltöffentlichkeit die Gründe für einen möglichen Marsch auf Bagdad zu erläutern.


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Noch einen Tag vorher hatte Bushs Sprecher Ari Fleischer entrüstet den Vorwurf zurückgewiesen, dass der Präsident bisher bohrenden Fragen nach seinen Motiven ausgewichen sei. Er möge daher bitte für das "Geschichtsbuch" erklären, warum Bush "die irakische Bevölkerung bombardieren will". Das übernahm der Präsident nun auf seiner erst achten offiziellen Pressekonferenz selbst.

Mit seltener Eindringlichkeit trug er seine bekannten Argumente dafür vor, als "letztes Mittel" das Militär gegen den Irak einzusetzen. "Saddam Hussein rüstet nicht ab, das ist Tatsache, das kann nicht bestritten werden." - "Wir sind entschlossen, der Gefahr zu begegnen, wo immer sie entsteht." - "Der Irak ist Teil des Kriegs gegen den Terrorismus." - "Der Preis, nichts zu tun, übersteigt den Preis etwas zu tun." - "Ich mag keinen Krieg. Ich bete für Frieden." Doch der Irak sei ein außergewöhnlicher Fall. Er widersetze sich dem Willen der internationalen Gemeinschaft seit zwölf Jahren, er habe Verbindungen zum Terrorismus und seine Bösartigkeit in einer dunklen Vergangenheit bewiesen.

Bush zeigte Härte und Konzilianz zugleich. Er forderte die Weltgemeinschaft auf der einen Seite auf, ihm geschlossen zu folgen, sonst werde er mit Unterstützung verbliebener Verbündeter vorangehen. Auf der anderen Seite wollte er seinen entschiedenen Gegenspielern im Sicherheitsrat, Frankreich und Deutschland, ihre Haltung nicht verübeln. "Sie sind immer noch Freunde und wir haben eine Menge gemeinsamer Interessen."

Was immer in der kommenden Woche geschehen mag - der Präsident gab zu erkennen, dass er von der Richtigkeit seiner Politik zutiefst überzeugt ist. "Mein Glaube gibt mir Stärke", sagte der bekennende Christ, dessen eigene Methodistische Kirche in der Reihe der Kriegsgegner steht. Er akzeptierte auch nicht das Argument, dass er die Vereinten Nationen zu einem ohnmächtigen Club zweiter Klasse und Ja-Sager degradieren wolle. Warum sei er denn im Herbst vergangenen Jahres wegen des Iraks vor die UNO gegangen?, fragte er.

Die Heftigkeit der Demonstrationen auch im eigenen Land und die Beharrlichkeit der Partner und Verbündeten im Sicherheitsrat in ihrer Ablehnung kriegerischer Mittel hatten das Weiße Haus sichtlich überrascht. An allen diplomatischen Fronten gab es Rückschläge. Selbst das Parlament des treuen Verbündeten Türkei verschloss sich dem Antrag, trotz versprochener Milliarden als Aufmarschgebiet für eine Invasion im irakischen Norden zu dienen. Altgediente Außenpolitiker wie die früheren Sicherheitsberater Henry Kissinger und Zbigniew Brzezinski witterten einen Aufstand der misstrauischen Mächte in der zweiten Reihe gegen den als arrogant und kriegslüstern geltenden "Primus". Bush forderte sie alle heraus, in der kommenden Woche Farbe zu bekennen, wenn eine weitere Irak-Resolution zur Abstimmung stehen wird. dpa

US-Soldaten schneiden Löcher in Grenzzaun zum Irak

Amerikanische Marineinfanteristen haben nach UN-Angaben mehrere Löcher in den Grenzzaun zwischen Kuwait und dem Irak geschnitten. Dies sei möglicherweise ein Verstoß gegen die UN-Resolution, mit der nach dem Golfkrieg 1991 eine entmilitarisierte Zone zwischen den Ländern eingerichtet wurde, sagte UN-Sprecher Fred Eckard in New York. UN-Friedenssoldaten hätten bei der Kontrolle der Zone seit Dienstag der Vorwoche mehrere Vorfälle gemeldet und sieben neue Löcher entdeckt. An den Vorfällen seien Personen in Zivilkleidung in Allradfahrzeugen beteiligt gewesen, von denen zumindest einige bewaffnet gewesen seien und sich als US-Marineinfanteristen ausgegeben hätten. Die Beschwerden wurden an den Weltsicherheitsrat weitergeleitet.