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Bush kann höchstens auf ein Stillhalten der Europäer hoffen

Von Christine Pöhlmann

Politik

Berlin - "Kein Angriff auf den Irak - Kriegstreiber unerwünscht." Dutzende solcher Plakate hielten Demonstranten dem US-Präsidenten entgegen, als er Mittwochabend in Berlin eintraf. George W. Bush wiederum machte kurz vor seiner Ankunft keinen Hehl daraus, dass er um Unterstützung auch für ein mögliches militärisches Vorgehen gegen den Irak werben will. Dass er damit auf Skepsis und Ablehnung in Berlin und anderen europäischen Hauptstädten stößt, ist seit langem klar. Dennoch hofft Bush zumindest auf politische Rücken- | deckung der Verbündeten.


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Für eine Militäraktion gegen den irakischen Regimechef Saddam Hussein gebe es in der EU mit Ausnahme Großbritanniens derzeit keine Unterstützung, stellt der Sicherheitsexperte Henning Riecke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik fest. "Bush kann höchstens auf ein Stillhalten der Europäer hoffen." Die Europäer hätten zwar kein alternatives Konzept anzubieten, doch sei die Angst vor einer Destabilisierung der gesamten Region groß.

Die deutsche Regierung wolle von Bush zunächst hören, welche Absichten die USA im Irak genau verfolgten, hieß es diese Woche zurückhaltend in Berliner Regierungskreisen. Dann werde sich die rot-grüne Regierung ihre Meinung bilden. Gegenwärtig gebe es keine militärischen Pläne und demzufolge auch keine Wünsche an Deutschland. Auch Bush beeilte sich, zu versichern: "Ich habe keinen Einsatzplan auf meinem Schreibtisch." Er ziehe aber alle Optionen in Betracht.

Hinter solch gewundenen Formulierungen verbergen sich konkrete Überlegungen der USA, die seit Wochen in Ausschnitten an die Öffentlichkeit dringen. Zunächst ging es in erster Linie darum, ob ähnlich wie in Afghanistan mit der irakischen Opposition eine schlagkräftige Bodentruppe zur Verfügung stehen könnte, um Saddam Hussein von Innen - mit US-Unterstützung - zu stürzen. So trafen sich US-Vertreter auch in der Nähe von Berlin mit irakischen Kurden, um laut Presseberichten über einen Angriff zu beraten. Doch angesichts der Schwäche der irakischen Opposition erwägen die USA nun offenbar eine andere Möglichkeit: Den Einsatz eigener Bodentruppen mit britischer Beteiligung. Von bis zu 250.000 Mann war in Zeitungsberichten zuletzt die Rede.

Bisher ist eine konkrete militärische Beteiligung weiterer EU-Staaten nicht im Gespräch, auch soll ein möglicher Angriff erst im nächsten Frühjahr ins Auge gefasst werden. Bis dahin sollen die militärischen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen geschaffen sein. Doch auch der Wunsch nach einer rein politischen Unterstützung einer Militäraktion würde SPD und Grüne vor ernste Probleme stellen.

Die Grünen legten sich erst vor wenigen Wochen in einem Parteitagsbeschluss, der von Außenminister Joschka Fischer mitgetragen wurde, klar auf eine Ablehnung jeglicher Militäraktion im Irak fest. In einem solchen Falle solle sich die Bundesregierung dagegen aussprechen und sich "jeder militärischen oder zivilen Unterstützung enthalten". Für die SPD wiederum warnte Fraktionschef Peter Struck: "Ein militärisches Vorgehen gegen den Irak ist so lange nicht gerechtfertigt, wie nicht feststeht, dass Saddam El-Kaida-Terroristen unterstützt oder beherbergt." Dieser Nachweis ist den USA bisher trotz aller Bemühungen nicht gelungen.