Washington (APA) - Die Amerikanerinnen könnten die nächsten Präsidentschaftswahlen entscheiden. Denn obwohl auch diesmal keine Frau antritt, gilt Al Gore als ihr Kandidat. Wie die Befragungen zeigen, hat der demokratische Präsidentschaftskandidat seinen deutlichen Vorsprung den Wählerinnen zu verdanken: Um bis zu 20 Prozentpunkte führt Gore gegenüber dem Republikaner George W. Bush beim weiblichen Wählerpotenzial.
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Bushs Vorsprung bei Männern fällt hingegen weit geringer aus. Nie zuvor wurde eine so große Differenz im Urteil der Geschlechter gemessen wie jetzt. Insgesamt schlägt das Pendel daher derzeit klar zu Gunsten von Gore aus.
Dabei ist die amerikanische Präsidentschaftskampagne diesmal überwiegend von Sachthemen bestimmt, die Persönlichkeiten der Kandidaten treten fast etwas in den Hintergrund. Die Verbesserung der medizinischen Versorgung, neue Initiativen in der Bildungspolitik und diverse Modelle für eine weit reichende Steuerreform dominieren die Debatten.
Die traditionell sozialer orientierten Vorschläge der Demokraten finden dabei bei den Frauen viel größeren Anklang als die primär auf Eigeninitiative basierenden Modelle der Republikaner, die Gore wegen einiger Vorschläge zu Gunsten der 20 Prozent Armen in der amerikanischen Bevölkerung sogar "Klassenkampf" vorwerfen. Trotz boomender Wirtschaft und praktisch Vollbeschäftigung finden sich die Frauen eben immer noch zu einem viel größeren Anteil bei den Mindestlohnbeziehern und tragen häufig als Alleinerzieherinnen alle Familienpflichten. Die höhere Lebenserwartung der Amerikanerinnen wirkt sich gleich doppelt positiv für Gore aus: Einerseits sind die Älteren viel mehr auf gute medizinische Versorgung angewiesen und begrüßen daher die Vorschläge der Demokraten zur Verbesserung von Medicare. Andererseits gibt es dadurch eben mehr Wählerinnen als Wähler.
Die starke Anti-Abtreibungshaltung des erzkonservativen Bush hat auch schon die traditionellen Frauenorganisationen auf den Plan gerufen, die für Selbstbestimmung und geplante Elternschaft eintreten. In den nächsten Wochen will die "National Abortion and Reproductive Rights Action League" (NARAL) mit einer mehrere Millionen Dollar schweren Kampagne mehr als zwei Millionen Wählerinnen in Schlüsselstaaten im direkten Kontakt zur Unterstützung von Gore bewegen. Bush will den Schwangerschaftsabbruch außer bei Vergewaltigung, Inzest oder Gefahr für die Frau untersagen und tritt für ein verfassungsrechtliches Verbot der Abtreibung ein.
Schließlich hat es Gore spätestens mit der Nominierung von Joe Lieberman als Vizepräsidenten-Kandidat geschafft, sich von Bill Clintons Sexaffären eindeutig abzusetzen. Während Gore als Vizepräsident Clinton in der Affäre die Stange halten musste, hatte der prominente Demokrat Lieberman Clintons Verhalten schon früh verurteilt. Gore hingegen hat im Privatleben offenbar eine blütenreine Weste vorzuweisen: Seit 30 Jahren ist der heute 52-Jährige glücklich mit Tipper verheiratet, die dem trockenen Karriere-Politiker auch die Bedeutung von Gefühlen in der Politik klar gemacht haben soll.