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Dass er im Nahen Osten nichts erzwingen kann, muss US-Präsident George W. Bush schön langsam einsehen. Deshalb gibt er sich vor seiner Abschiedsreise in den Nahen Osten, die er am Mittwoch beginnt, bescheiden: Er wolle eher zum Frieden ermuntern als Fortschritte zu fordern.
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Trotzdem hält er es offiziell nach wie vor für möglich, sein Ziel, bis Jahresende eine Friedensregelung auf den Weg zu bringen, zu erreichen. Beobachter sind sich allerdings weitgehend darüber einig, dass die Chancen dieses Projekts angesichts der jüngsten Ereignisse in der Region gegen Null tendieren. In Israel ist Ministerpräsident Ehud Olmert wegen Korruptionsvorwürfen mit Rücktrittsaufforderungen konfrontiert. Im Libanon kommt es zu schweren Kämpfen zwischen den Volksgruppen, die sich seit Monaten auf keinen neuen Präsidenten einigen können.
Für die Lage im Libanon hat Bush reflexartig dem Iran und Syrien die Schuld gegeben. Das entspricht seiner Tradition, komplexe Sachverhalte in ein einfaches Schema zu pressen und die innerstaatlichen Spannungen zu ignorieren. So wurde die jüngste Krise durch Premierminister Fouad Siniora ausgelöst, weil er zwei Beschlüsse gegen die Hisbollah erlassen hatte.
Die Militärführung unter Leitung des christlichen Generals Michel Sleimane weigerte sich, diese umzusetzen. Sleimane ist der Wunschkandidat der Arabischen Liga für den seit November verwaisten Präsidentenposten und damit um Ausgleich bemüht. Bush scheint indes der Meinung zuzuneigen, dass der Armeechef nur fürchtet, seine Soldaten könnten der Hisbollah-Miliz unterlegen sein. Denn der US-Präsident versprach der libanesischen Armee Unterstützung.
Die Unterstützung Sinioras durch den Westen sollte eine anti-syrische Politik und damit eine Demokratisierung des Libanon garantieren. Die Erwartung wurde nicht erfüllt, und Siniora musste nun zugeben, dass an eine erzwungene Entwaffnung der Hisbollah-Miliz nicht zu denken sei.
Weder der Libanon noch die persönlichen Schwierigkeiten von Olmert stehen den Friedensbemühungen aber so im Weg wie der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis. Die Hoffnungen, man könne ohne die im Gazastreifen isolierte radikale Hamas leichter zu einem Abkommen gelangen, haben sich zerschlagen. Dem Chef der Autonomiebehörde im Westjordanland, Mahmoud Abbas, macht nicht nur der Kleinkrieg im Gazastreifen zu schaffen, sondern auch der israelische Unwille, den Siedlungsbau im Westjordanland zu stoppen. Seit der Friedenskonferenz in Annapolis vor einem halben Jahr gibt es keine substanziellen Fortschritte, beklagt er immer wieder.
Mittlerweile würde sich aber auch Abbas lediglich mit einem Rahmenabkommen zufrieden geben, bei dem wesentliche Punkte im Friedensprozess ausgeklammert bleiben. Denn auch seine Amtszeit geht, ebenso wie die Olmerts, 2009 zu Ende. Mit Bush, der schon Ende des Jahres aus dem Amt scheidet, verbindet die beiden Kontrahenten somit der Wille, gegenüber der Geschichte nicht als vollkommene Verlierer dazustehen. Ihre Chancen dafür stehen nicht gut.
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