In Washington nennen sie ihn den "Hammer". So sehr wird seine Schlagkraft bewundert und gefürchtet. Allerdings schwächelt Tom DeLay seit geraumer Zeit - weil er selbst hammerharte Prügel einstecken muss. Auf den Republikanerchef im Repräsentantenhaus, einen der wichtigsten parlamentarischen Verbündeten von Präsident George W. Bush, prasselt eine Kaskade von Vorwürfen ein, er habe ungebührlich engen Kontakt zu Lobbyisten gepflegt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Von ihnen soll sich der konservative Hardliner, der ständig den Herrgott zitiert, im Gegenzug für politische Gefälligkeiten teure Reisen bezahlt haben lassen. Stürzt der 58-jährige Texaner über die Affäre, würde dies auch dem Präsidenten schaden.
DeLay steht eine Untersuchung durch den Ethikausschuss des Repräsentantenhauses bevor. Die Demokraten wollen die Chance nutzen, nicht nur einen ihrer Lieblingsfeinde auszuschalten, sondern auch den Einfluss des Präsidenten auf den Kongress weiter zu schwächen. Ermutigt sieht sich die Opposition durch ihren bisher erfolgreichen Widerstand gegen den UN-Botschafterkandidaten John Bolton und gegen Bushs Rentenreform. Zwar überstand DeLay bereits vergangenes Jahr drei Rügen des Ethikausschusses. Doch diesmal scheint seine Lage wirklich ernst zu sein. Denn zuletzt kamen viele neue Details über DeLays Kumpanei mit millionenschweren Lobbyisten ans Licht. Vor allem seine Verbindung zu Jack Abramoff, einst einer der mächtigsten Männer der "K Street" - Stammsitz der Interessenverbände in Washington - bringt den Mehrheitsführer in die Bredouille. Bei einem gemeinsamen Neujahrstripp auf die Nördlichen Mariana-Inseln im Pazifik pries DeLay den smarten Abramoff vor Jahren als "einen meiner engsten und liebsten Freunde" - Worte, die er heute am liebsten streichen würde. Denn gegen Abramoff ermitteln zwei Senatsausschüsse, die Bundespolizei FBI und mehrere andere Behörden wegen Steuerbetrugs und Bestechung.
DeLay aber soll nach Medienberichten nicht nur auf Kosten seines inzwischen abgestürzten Kumpels und von dessen Kundschaft durch die Welt gereist sein - nach Großbritannien, Russland, Südkorea. Dies wäre zumindest in Teilen ein Verstoß gegen die Kongressregeln. Auch lassen sich einige von DeLays parlamentarischen Tätigkeiten als Dienstleistung an Abramoffs Klientel deuten. So verhinderte DeLay die Besteuerung von Kasinos in Indianerreservaten - die indianischen Glücksspielunternehmer gehörten zu Abramoffs zahlungskräftigster Kundschaft. Und DeLay blockierte die Anhebung des Mindestlohns auf den zu den USA gehörenden Nördlichen Marianas - wo Abramoff die Textilfabrikanten vertrat.
Als ob er damit nicht schon genug Ärger hätte, wird DeLay nun auch noch zum Vorwurf gemacht, dass er seine Frau und Tochter für ihre Mitarbeit in Kampagnen entlohnen ließ - was freilich weder illegal noch unüblich ist. Schwerer wiegt, dass in DeLays texanischem Wahlkreis drei seiner Partner wegen Spendenbetrugs angeklagt sind. Vor diesem Hintergrund wird nachvollziehbar, warum der fromme Politmanager nach seinen drei Rügen die Regeln des Ethikausschusses ändern ließ, um Untersuchungen zu erschweren. Erst nach massivem Protest der Demokraten wurde das alte Statut wiederhergestellt, so dass DeLays Verhalten nun erneut unter die Lupe kommt.
Das Weiße Haus sieht dem mit Sorge entgegen. Denn von DeLays Talent und Durchsetzungskraft hat Bush in den vergangenen Jahren stets profitiert, wenn es galt, strittige Gesetzesvorhaben durchzusetzen. DeLay schaffte es, die republikanische Mehrheit zusammenzuhalten - nicht nur mit Pizza, die er in späten Runden an hungrige Abgeordnete verteilte, sondern auch mit Geld, das er in die Wahlkämpfe von Kongresskollegen fließen ließ. Insider sehen ihn deshalb als den effektivsten Kongressführer seit einer Generation. AFP