Sollte Großbritanniens Schatzkanzler Gordon Brown nach über einem Jahrzehnt im Schatten Tony Blairs in Downing Street 10 einziehen, wird er sich von Beginn an mit enormem politischen Druck konfrontiert sehen.
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Innerhalb der nächsten zwei Jahre stehen Wahlen an und die Labour-Party leidet an einem beträchtlichen Popularitäts-Defizit - auch wenn die jüngst geschlagenen Kommunal- und Regionalwahlen nicht das prognostizierte Debakel gebracht haben. Will Brown seinen laut Umfragen ungemein beliebten Widersacher auf Seiten der Tories, David Cameron, einigermaßen in Schach halten, muss er glaubhaft einen Schlussstrich unter die Ära Blair ziehen.
Da wäre zunächst einmal der Krieg im Irak, den Blair vorbehaltlos angestrebt hat und zu dem der scheidende Premier auch jetzt noch ohne jede Einschränkung steht. Blair hat als "Schoßhündchen Bushs" viele Sympathien verspielt, der Irak-Krieg trug ohne Zweifel entscheidend zu den miserablen Umfragewerten für Labour bei.
Alle, die hier auf eine Kehrtwende Browns hoffen, werden allerdings enttäuscht sein. Der Schatzkanzler hat bewiesen, dass er weitreichende Maßnahmen im Kampf gegen den Terror befürwortet und Einschränkungen der Bürgerrechte in Kauf nimmt. Zudem hat er den im Irak und in Afghanistan eingesetzten britischen Streitkräften großzügig zusätzliche 400 Millionen Pfund (589 Millionen Euro) zugesichert.
Trotzdem müssen sich die Feldherrn in Washington darauf gefasst machen, dass nicht länger im absoluten Gleichschritt vorwärts marschiert wird. Der Abzug der britischen Soldaten aus dem Irak ist schon eingeleitet - gut möglich, dass er von Brown beschleunigt wird. Zudem wird Blairs Nachfolger bemüht sein, zumindest auf rhetorischer Ebene eine gewisse Distanz zu Bush zu demonstrieren.
Brown, dem eine Kämpfernatur nachgesagt wird, hat allerdings Imageprobleme. Er ist bei den Briten - sagen die Umfragen - noch unbeliebter als die ohnehin schlecht abschneidende Gesamtpartei. Das hängt damit zusammen, dass Brown im Gegensatz zu Blair über wenig Charisma verfügt. Er gilt als abgehobener Intellektueller, dem der Kontakt zu den Menschen fehlt.
Seine Materie von Wirtschaft und Steuern eigne sich eben nicht zum Witze reißen, meinte Brown dazu unlängst. Mitarbeiter attestieren ihm neben Kontrollwut auch autoritäres Auftreten, ja sogar "stalinistische" Züge sollen zuweilen hervortreten.
Solange Brown im Hintergrund blieb und die Weichen für ein Wirtschaftswachstum stellte, von dem die Amtsvorgänger Blairs, Margaret Thatcher und John Major, nicht zu träumen wagten, war das weniger ein Problem. Für einen Regierungschef können aber derartige Defizite bei Wahlen fatale Folgen haben. Möglich, dass Brown mit sozialpolitischen Reformen die Herzen der Briten erobert. Einige Neuerungen im Gesundheitswesen hat er bereits in Aussicht gestellt.