Experten raten zu einer möglichst regelmäßigen und bewussten Ernährung.
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Wien. Zeitknappheit und Leistungsdruck am Arbeitsplatz nehmen zunehmend Einfluss auf die Ernährungsgewohnheiten der Menschen. Während Adipositas, Bluthochdruck und andere Erkrankungen Unternehmen und Gesundheitssysteme vor wachsende Herausforderungen stellen, ist die Wertschätzung für gesundes und bewusstes Essen am Arbeitsplatz vielfach ungenügend.
Schnelle Snacks ersetzen Hauptmahlzeiten, der Arbeitsaufwand bestimmt das Hungergefühl: Die Ergebnisse, die der Nahrungsmittelkonzern Nestlé in der Studie "So is(s)t Deutschland 2011" veröffentlichte, sorgten im Vorjahr für einige Aufregung. Gerade bei jungen Arbeitnehmern war demnach ein Trend festzustellen, der die Ernährung im Berufsleben erheblich beeinflusst: die Entstrukturierung des Alltags.
Im Zuge der zunehmenden Unregelmäßigkeit des beruflichen Tagesablaufs, den die Studienautoren bei nahezu jedem zweiten Befragten feststellten, büßte auch das Ernährungsverhalten an Regelmäßigkeit ein. Entscheidend für den Zeitpunkt zur Nahrungsaufnahme ist für einen großen Teil der Berufstätigen demnach nicht mehr das Hungergefühl - sondern freie Zeitfenster. Gegessen wird, wenn Zeit dafür ist, lautete die ernüchternde Schlussfolgerung.
Eine Entwicklung, die nach Ansicht von Experten bedenklich ist. Auf den kausalen Zusammenhang von regelmäßiger Ernährung und der Entstehung von Übergewicht wiesen Wissenschafter der britischen Universität Nottingham bereits vor Jahren hin. Die berufliche Realität blieb davon jedoch weitgehend unberührt – wenngleich einfache Lösungen möglich wären. So rät Ernährungscoach Andrea Schreiber etwa zur Schaffung fixer Pausen. "Prinzipiell ist es gut, sich feste Zeiten zu setzen. Wenn man unregelmäßig und willkürlich Kleinigkeiten isst, gerät man aus dem Rhythmus. Da kommt der Körper dann nicht mehr mit", erläutert Schreiber.
Verpflichtende Pause nach spätestens sechs Stunden
Dabei sollte die Problematik unregelmäßiger oder gar ausfallender Essenszeiten schon von Gesetz wegen auch Arbeitgeber interessieren. "Nach spätestens sechs Stunden muss eine mindestens 30-minütige Pause stattfinden", betont Alexander Heider, Leiter der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der Arbeiterkammer. "Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Fürsorgeverpflichtung auf die Gesundheit der Arbeitnehmer zu achten. Er muss also aktiv darauf schauen, dass die gesetzlich vorgesehenen Pausen eingehalten werden", so Heider.
Wie der Arbeitnehmer diese Pausen nützt, liegt freilich in seinem Ermessen. Auch wenn es die ideale Ernährung nicht gibt, lassen sich dafür immerhin einige Richtlinien finden. "Am Arbeitsplatz braucht man viel Energie. Wenn man aber das Falsche isst, wird viel Kraft für die Verdauung aufgewendet", erklärt Schreiber, die einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung dem Vorzug vor Deftigem gibt. Als "Gehirnnahrung" kämen neben Obst und Gemüse ferner auch Nüsse in Frage: "Die sind dafür bekannt, die Konzentrationsfähigkeit zu verbessern", so Schreiber.
Bewusstsein und Anreize sind erforderlich
Dass gesunde Ernährung dabei nur dann funktioniert, wenn man von deren Bedeutung überzeugt ist, gibt Dietmar Schuster, in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) zuständig für Betriebliche Gesundheitsförderung, zu bedenken. Die "richtige" Ernährung ausschließlich im Aufgabenbereich des Arbeitgebers zu verorten wäre nach Ansicht Schusters daher wenig sinnvoll. Vielmehr gelte es, an die Eigenverantwortung der Mitarbeiter zu appellieren. "Es bringt ja auch nichts, wenn man sich im Büro gesund ernährt und dann am Abend ungesund", so Schuster.
Dass Arbeitgeber bei der gesunden Führung der Mitarbeiter dennoch Spielraum haben, steht für den Gesundheitsbeauftragten fest: "Man muss bewusst machen, wie wichtig die Ernährung ist und dafür auch Anreize schaffen", sagt Schuster, der auf die WKO-Initiative "Pro Fitness" und den "SVA-Gesundheitshunderter" verweist – ein Förderprogramm, bei der die Sozialversicherungsanstalt Gesundheitsinvestitionen bezuschusst. Zudem dürfen Arbeitgeber nicht auf ihre Vorbildfunktion auch in Sachen Ernährung vergessen, erinnert Schuster.
Denn schließlich liege es ja im Interesse der Arbeitgeber, sich um die Ernährung der Mitarbeiter zu kümmern. "Jeder Euro, der in die Gesundheit investiert wird, hat einen ,Return of Investment‘ von bis zu drei Euro. Je mehr man in die Gesundheit der Mitarbeiter investiert, desto produktiver sind sie", ist Schuster überzeugt.