Die ersten U-Ausschuss Befragten sprechen von "großem Schaden" für den Verfassungsschutz.
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Wien. Als erste Auskunftsperson musste Herr K. G. dem Ausschuss Rede und Antwort stehen. G. ist in der Sicherheitszentrale des BVT tätig und kontrolliert den Eingangsbereich sowie die technischen Sicherheitsmaßnahmen. Er schilderte aus seiner Sicht den Ablauf der Razzia am 28. Februar 2018. Seine zentralen Aussagen: Nicht die führende Staatsanwältin Ursula Schmudermayer leitet die Aktion, zumindest seinem Eindruck nach. Auf mehrfache Nachfragen der Fraktionen gab G. zu Protokoll, dass es Oberstleutnant Wolfgang Preiszler gewesen sei, der während der Aktion das Heft in der Hand hatte. Preiszler, Chef der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) - im Nebenberuf übrigens FPÖ-Lokalpolitiker im niederösterreichischen Guntramsdorf - habe sich bei seinem Eintreffen ausgewiesen und vorgegeben, zu einem Termin im BVT zu sein.
Nach der ersten Sicherheitsschranke habe er dann in rüdem Ton angekündigt, dass nun eine Hausdurchsuchung im gesamten BVT stattfinden würde. Preiszler habe G. angewiesen, jegliche Kommunikation einzustellen - und ihm die Suspendierung angedroht, sollte er zuwiderhandeln. Auch habe Preiszler angedroht, bei Kommunikationsversuchen des Sicherheitsbeamten diese mit Gewalt zu unterbinden. Eine Anzeige wegen Nötigung aber habe er nicht eingereicht, antwortete G. auf eine Frage von Stephanie Krisper (Neos).
Erst danach seine "rund 40 Beamte in Zivil" eingetroffen, die Dienstwaffen deutlich sichtbar. Sie hätten sich sogenannte Polizei-Überziehwesten angezogen und seien dann zielstrebig in einen bestimmten Gebäudeteil losgezogen.
Hatten die Beamten gewusst, wo sie hinmussten, waren sie ortskundig? "Sie müssen jemanden dabeigehabt haben, der sich auskennt", sagt K. G.
Preiszler soll Gewalt angedroht haben
Ob er sich genötigt gefühlt hätte, vom Auftreten des EGS-Chefs, will Peter Pilz wissen. "Im Nachhinein eigentlich schon." G. sagt auch, dass Ursula Schmudermayer, die eigentlich verfahrensleitende Staatsanwältin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), ihm keinen schriftlichen Durchsuchungsbeschluss vorgelegt hätte - mit der Begründung, es gehe bei der Durchsuchung nicht um ihn. Die Durchsuchung sei rechtmäßig, ein Journalrichter habe die Aktion genehmigt. Er habe dann "nochmals darauf hingewiesen, dass das hier das BVT sei und hier sensible Daten lagern" würden. Dann habe er die Beamten aber gewähren lassen. G.: "Es hätte auch Gefahr in Verzug sein können."
Preiszler habe dann von ihm verlangt, ihm eine zentrale Zugangskarte auszuhändigen, mit der man in alle Bereiche der Abteilungen und Büros kommen konnte, so G. Das habe er - auch unter dem Eindruck der Gewaltandrohungen Preiszlers - dann auch getan. Erst nach der Aktion habe ihm Preiszler die Karte zurückgegeben.
BVT-Mitarbeiter: "Großer Schaden"
Unter Journalisten ist an diesem ersten Befragungstag auch die Frage nach der Qualität der Zusammenarbeit zwischen BVT und ausländischen Partnerdiensten nach der Razzia von großem Interesse.
Auch N. B., laut dem SPÖ-Abgeordneten Jörg Leichtfried ein "waschechter, hochqualifizierter Polizist", geht auf diese Fragen ein. Zwar arbeitet der deutsche Verfassungsschutz, wie am Dienstag aus einer Anfrage an das deutsche Innenministerium hervorging, offiziell weiter mit dem BVT zusammen. Was B. in seiner Befragung erzählt, geht aber in eine gänzlich andere Richtung. "Ein Kollege aus dem Bereich Nachrichtendienst sagte mir in einem privaten Gespräch, es könne gerne so weitergehen, bis zu seiner Pension." B.s Kollege habe das auf den stark gesunkenen Arbeitsaufwand, aufgrund sinkendem Informationsaustausch mit Partnerdiensten im Ausland, bezogen. Ob es gar keinen Austausch mehr gebe? "Das ist so als ob man schon noch miteinander spricht, aber halt nur mehr übers Wetter." Für das BVT sei ein "großer Schaden" entstanden.
B. war am 28. Februar nicht in der BVT-Zentrale und konnte deshalb über die Durchsuchung seines Büros keine Angaben machen. Fast zehn Stunden lang durchsuchten aber EGS-Beamte seine Privatwohnung – unter Anwesenheit seiner Kinder und seiner Frau. Auf dem ihm präsentierten Durchsuchungsbeschluss fehlte nicht nur die Unterschrift des Richters, sondern auch die der Staatsanwaltschaft. Und: Zum ebenfalls auf dem Beschluss angeführten Tätigkeitszeitraum im BVT war B. noch gar nicht für den Verfassungsschutz tätig, sondern für das Bundeskriminalamt. Zugriff auf BVT-Daten habe er damals nicht gehabt.
Für B. ist es unverständlich, wie die Hausdurchsuchung überhaupt genehmigt werden konnte. "Wenn ich auf Basis von Aussagen irgendwelcher Leute, die ich nicht überprüft habe, so etwas veranlasst hätte, wäre ich suspendiert worden", sagt er.
Der anwesendes WKStA-Beamte habe auf seine Beschwerde hin zwar die führende Staatsanwältin Schmudermayer angerufen, diese habe aber auf der Durchführung der Durchsuchung bestanden.
Sämtliche Datenträger des Systemadministrators B. wurden "in Plastiksäcken" mitgenommen, was genau überhaupt gesucht wurde, sei für ihn nicht zu erschließen gewesen. "Wir nehmen eh alles mit", das sei sein Eindruck gewesen. Wie ein Beschuldigter habe er sich gefühlt, nicht wie ein Zeuge. "Es ist so wie wenn jemand umgebracht wird, sie sind aber in den USA. Und werden trotzdem dafür eingesperrt."
"Der persönliche Neid des Herrn H."
Aufgrund seines Ärgers hat B. nach den ersten Stellungnahmen seitens des Justizministeriums ein Mail an Generalsekretär Christian Pilnacek geschrieben. Es seien "Institutionen missbraucht worden, um eine Machtverschiebung herbeizuführen", schrieb er damals. Die gesamte Aktion habe "massiv seinem Rechtsempfinden" widersprochen, dabei habe er sich "jahrelang dafür eingesetzt, Österreich sicherer zu machen". Dass aber "der Feind von innen" kommt, hätte er sich nie träumen lassen.
B. hat als Systemadmin Zugriff auf fast alle Datenbereiche im BVT. "Aber nicht so, wie sie sich das vorstellen", sagt B. auf eine entsprechende Frage von FPÖ-Fraktionschef Hansjörg Jenewein. E-Mail-Konten abzusaugen, um Korrespondenzen lesen zu können, das sei ihm nicht möglich. Über einen Remote-Zugang könne er von zu Hause aber alles machen, was er auch im Büro tun könne. Auch müsse man unterscheiden zwischen Aktensystem und dem eigentlichen Informationssystem.
Wirklich brisant ist, was B. auf die Frage, wieso genau er, aber nicht andere Kollegen der IT-Technik durchsucht worden sind. B. erzählt die Geschichte eines seiner Kollegen, nennen wir ihn Herrn H. Dieser habe "mit aller Gewalt" eine Planstelle wie B. haben wollen, diese aber trotz mehrerer Versuche über verschiedene Wege nicht erreicht. "Das war meiner Meinung nach der persönliche Neid des Herrn H.", sagt B.
H. ist einer der Belastungszeugen, die von Udo Lett, Kabinettsmitarbeiter von Innenminister Herbert Kickl, an die WKStA vermittelt wurden, wie Peter Pilz aus dem Akt zitierte.
Turbulenter Abschluss
Turbulenter und mit einigen Unterbrechungen lief die Befragung der dritten Auskunftsperson ab. Herr D. S. ist Bezirksinspektor bei der Einsatzgruppe EGS, als einziger der drei heute Geladenen kommt er mit einer Vertrauensperson zur Befragung. Immer wieder spricht mit dem Verfahrensanwalt und mit S., die Sitzung wird immer wieder kurz unterbrochen. Von Peter Pilz ist zu erfahren, dass die Vertrauensperson eine der FPÖ nahestehende Anwältin ist. Wer sie bezahlt habe, will Stephanie Krisper wissen. "Das bezahlt mir die Gewerkschaft", sagt S.
Jan Krainer von der SPÖ sieht Widersprüche in den Aussagen von S. - vor allem, was dessen Angaben zum von ihm am 28. Februar im BVT durchsuchten Büro, jenes der zweiten Auskunftsperson N. B., betrifft.
EGS-Chef und Einsatzleiter Preiszler habe bei einer Vorbesprechung mit den für die Razzia eingeteilten Gruppenführern am 27. Februar um 18:00 keinerlei Kenntnisse über die Räumlichkeiten des BVT gehabt. Das sehen die Befrager von der Opposition anders. Jan Krainer zitiert aus einem Papier, aus dem hervorgehen soll, dass Preiszler vor der besagten Einsatzbesprechung in einer weiteren Sitzung über Sicherheit, Stockwerke und Räumlichkeiten referiert habe. Man habe sich die Pläne "von Google Maps eingespielt", sagt S.
Immerhin eines geht aus der Befragung von S. hervor: Insgesamt 80 Beamte tun in der EGS Dienst. 58 davon waren am 28. Februar im Einsatz, 35 davon direkt im BVT-Hauptquartier, der Rest in den durchsuchten Privatwohnungen.