Quasi im letzten Moment erfasst die Debatte um die Ratifizierung der EU-Verfassung die Innenpolitik. Der BZÖ-Obmann, der Kärntner LH Jörg Haider, kündigte knapp 48 Stunden vor der Abstimmung im Nationalrat an, nach Wegen und Möglichkeiten zu fahnden, auf dass die Bevölkerung doch noch darüber abstimmen kann. Unterstützung erhält er von namhaften Verfassungsjuristen, die ebenfalls eine Volksabstimmung für notwendig erachten. Ein kategorisches Nein zu diesen Plänen kommt dagegen von ÖVP, SPÖ und Grünen, die sich jedoch ein gesamteuropäisches Referendum vorstellen könnte.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Ich werde morgen als Landeshauptmann eine Verfassungsklage einbringen, um zu klären, ob die Annahme der EU-Verfassung nicht doch eine Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellt", erklärte Landeshauptmann Jörg Haider gestern vor Beginn der BZÖ-Regierungsklausur am Semmering. Das war allerdings bevor ihm sein Partnerin der Kärntner Landesregierung, die SPÖ, eine deutliche Abfuhr erteilte. Haider braucht aber die SPÖ, will er das oben erwähnte Verfahren in die politische Tat umsetzen.
Also Plan B: Der sieht vor, dass Haider in der heutigen Kärntner Regierungssitzung den Bericht des Kärntner Verfassungsdienstes vorlegt, deren Leiterin - die der SPÖ zugerechnet wird - eine Volksabstimmung für zwingend erachtet. In den folgenden Sitzungen der Landesregierung will Haider dann Verfassungsjuristen laden, um seine SPÖ-Regierungskollegen zu überzeugen. Sollte auch das nichts nützen, werde er andere Möglichkeiten finden, diese Frage dem Höchstgericht vorzulegen. "Das ist eine Frage der juristischen Spitzfindigkeiten", sagte Haider und verwies auf die Ortstafelentscheidung, die durch eine Strafanzeige wegen Schnellfahrens entstanden ist.
Die SPÖ steht wie ÖVP und Grüne am Standpunkt, dass über die EU-Verfassung nur eine gesamteuropäische Volksabstimmung durchgeführt werden sollte. Ein EU-Referendum ist derzeit freilich ausgeschlossen, weil dafür keine Rechtsgrundlage existiert. Die Verantwortung dafür sehen SPÖ und Grüne zumindest teilweise bei Bundeskanzler Wolfgang Schüssel: Dieser habe jahrelang keinerlei Vorstoß für ein EU-Referendum unternommen und betreibe diesen Vorschlag jetzt "ausschließlich für die innenpolitische Bühne", kritisiert der Grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber.
Unbeeindruckt gibt sich unterdessen die ÖVP angesichts der jüngsten Forderung nach einer Volksabstimmung ihres Regierungspartners. Man könne auch mit verschiedenen Meinungen einen gemeinsamen Weg gehen, meinte die stellvertretende Parteiobfrau Elisabeth Gehrer. Tatsächlich machte Haider klar, dass die BZÖ-Abgeordneten im Nationalrat der EU-Verfassung zustimmen werden. Damit dürften am Mittwoch nur einzelne FP-treue Mandatare wie Barbara Rosenkranz gegen den
Verfassungsvertrag stimmen.
Irritiert über die österreichische Volksabstimmungs-Debatte zeigt sich der frühere EU-Kommissar Franz Fischler. Er spricht von einer "unglücklichen" Diskussion, "weil viele Monate Zeit gewesen wären, diese Frage auszudiskutieren". Grundsätzlich spreche nichts gegen eine Volksabstimmung. Aber jetzt gehe es darum, ein Zeichen zu setzten, "dass Österreich hinter
dieser Verfassung steht".
Vehemente Unterstützung erhält das BZÖ in der Frage einer Volksabstimmung übrigens ausgerechnet von der FPÖ, von dem sich das Bündnis abgespalten hatte.