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Cameron, Chaos und Calais

Von Melanie Sully

Gastkommentare
Dr. Melanie Sully ist Politologin und leitet das in Wien ansässige Institut für Go-Governance.

Die britische Asylpolitik hat die Stimmung im Land massiv verschlechtert.


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Das letzte Territorium, das England im 16. Jahrhundert in Frankreich verlor, war Calais. Der Streifen Wasser zwischen Calais und den weißen Klippen von Dover, den Vera Lynn im Zweiten Weltkrieg besang, hat Englands Schicksal bestimmt. Das Lied beruhte jedoch auf einem Mythos: Die darin besungenen blauen Vögel gab es in England nicht, und der laut Liedtext immerwährende Friede ist nicht eingetreten.

Während sich die Debatte über Europa in Großbritannien bisher um die Anzahl der EU-Migranten im Land drehte, geht es jetzt um illegale Flüchtlinge, die hauptsächlich aus Ländern Afrikas, des Nahen und Mittleren Ostens oder Asiens kommen - und die nichts mit der britischen EU-Mitgliedschaft zu tun haben. Irritierten Urlaubern, die Schlange stehen, um vor dem feuchten Wetter in die europäische Sonne zu fliehen, kann jedoch das berühmte Sprichwort in den Sinn kommen, dass der Ärger immer in Calais beginne.

Die Franzosen scheinen geradezu froh zu sein, wenn sich die Flüchtlinge auf den Weg zu den weißen Klippen von Dover machen. Wenn es nach der britischen Labour-Partei geht, dann soll Frankreich Entschädigungen an Briten zahlen, die geschäftliche Verluste erleiden mussten, weil importierte Waren nicht schnell genug transportiert werden konnten. Solidarität wird auf beiden Seiten situationselastisch interpretiert.

Das fortlaufend in den Medien gezeigte Bild, das Großbritanniens Premierminister David Cameron als "Schwärme" von Flüchtlingen bezeichnete, die auf Lkw klettern, um auf die andere Seite des Ärmelkanals zu gelangen, gepaart mit der griechischen Schuldenkrise fördert nicht gerade das Vertrauen in die Europäische Union.

Zu dem allgemein schlechten Image von Politikern in den Augen der Wähler kommen noch Hilflosigkeit und das Gefühl, dass die Politiker keine Antworten haben. In der Politik müssen nicht nur Entscheidungen getroffen und Menschen miteinbezogen, sondern auch Lösungen gefunden werden.

Der jüngste Versuch, ein paar Spürhunde auf die andere Seite des Kanals zu schicken, wird den Anforderungen des aktuellen Problems nicht gerecht. Stacheldraht und eine bewachte Grenze lassen das Schreckgespenst der physischen Trennung in Europa noch einmal hervorkommen.

Nigel Farage von der EU-feindlichen Ukip fordert, dass die Armee das "Chaos in Calais" lösen soll. Mehr Sicherheitsvorkehrungen werden aber aller Voraussicht nach nicht diejenigen abhalten, die in Verzweiflung ihr Leben riskiert haben, um bis hierhin zu kommen, sondern nur zu mehr Toten führen.

Camerons Regierung will neue Maßnahmen einführen und unter anderem Vermieter dazu zwingen, die bereits im Land lebenden illegalen Einwanderer aus ihren Wohnungen zu verweisen. Wirksame Kontrollen könnten auch mit der Einführung von Personalausweisen verbunden sein. Auf dem Kontinent ist dies völlig normal, viele Briten zucken jedoch beim bloßen Gedanken daran bereits zusammen. Wie Cameron selbst zugibt, wird das Problem mindestens noch den Sommer hindurch fortbestehen, und der "Fluch von Calais" wird der britischen Insel erhalten bleiben.