Verhältnis von Litwinenko-Affäre überschattet. | BP in Russland von US-Firma Exxon ausgebootet.
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Moskau. Man weiß nicht so recht, ob David Cameron den für Russland passenden Ton getroffen hat: "Ich werde die Farblosigkeit des Lebens im Kommunismus, den Mangel an Freiheit, Auswahl und Selbstverwirklichung niemals vergessen", gab der britische Premierminister kurz vor seinem Moskau-Besuch zu Protokoll. Der heute 44-Jährige war nach einem Schulabschluss ein Jahr lang durch die Welt gereist und hatte dabei auch die damalige UdSSR besucht. Am Strand von Jalta seien er und sein Freund von zwei Russen mit perfektem Englisch zum Essen eingeladen und über ihre politischen Überzeugungen ausgefragt worden - ein Anwerbeversuch des KGB, vermutet Cameron heute. Russlands Präsident nahm die Anekdote mit Humor: Cameron, so Dmitri Medwedew, wäre ein guter Agent des Sowjet-Geheimdiensts gewesen. "Ich hoffe nicht", scherzte der Brite daraufhin auf der Pressekonferenz der beiden Politiker im Kreml.
Zumindest der Tonfall hat sich also geändert im belasteten russisch-britischen Verhältnis - gar nicht wenig, wenn man bedenkt, dass noch am 31. August russische Sicherheitskräfte auf der Suche nach Dokumenten für ein Gerichtsverfahren das Moskauer Büro des britischen Ölmultis BP stürmten. Zur gleichen Zeit hatte der US- Energieriese Exxon Mobil ein milliardenschweres Abkommen mit der russischen Rosneft geschlossen, um neue Öl- und Erdgasvorkommen in der russischen Arktis zu erschließen - und damit die britische BP ausgebootet. Russlands Premier Wladimir Putin träumt angesichts der löchrig werdenden arktischen Eisschicht, die ungeheure Lagerstätten freigibt, langfristig bereits von Investitionen bis zu 500 Milliarden Dollar. Für die USA hat sich der "Neustart"-Button mit Russland ausgezahlt.
Nun will also auch Cameron die unterkühlten Beziehungen mit Moskau wieder mit Leben erfüllen - ein gemeinsam mit Medwedew unterzeichnetes Modernisierungsabkommen soll dabei ebenso helfen wie Erleichterungen bei Reisen von Lehrern, Studenten und Wissenschaftern.
Handel geht vor
Das klingt nicht gerade nach viel, doch das britisch-russische Verhältnis war seit der rätselhaften Affäre um den aufsehenerregenden Tod des Kreml-Kritikers und Ex-KGB-Agenten Alexander Litwinenko in London 2006 auf einen Nullpunkt gesunken. Die britische Polizei verdächtigt den Ex-KGB-Agenten Andrej Lugowoi, Litwinenko mit der radioaktiven Substanz Polonium vergiftet zu haben, und fordert von Russland dessen Auslieferung. Moskau legt sich quer: "Artikel 61 der Verfassung besagt, dass kein russischer Staatsbürger für eine Verurteilung ins Ausland ausgeliefert werden darf", bekräftigte Medwedew am Montag noch einmal den russischen Standpunkt. Insgesamt seien jedoch die Gemeinsamkeiten mit Großbritannien größer "als das, was uns trennt". Ähnlich pragmatisch Cameron: "Differenzen in juristischen Fragen" dürften nicht bedeuten, dass die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern nicht ausgebaut werden könnten.