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Cameron erklärt Defizit den Krieg

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

Bankensteuer und limitierte Manager-Boni im Raum. | Finanzminister Osborne will staatliche Ausgaben senken. | London/Wien. Sparen lautet das Gebot der Stunde, auch in Großbritannien: Der neu gekürte Premier David Cameron und sein Vize Nick Clegg haben am gestrigen Donnerstag ihren Koalitionsvertrag präsentiert. Unangefochtene Priorität der regierenden Konservativen und Liberalen wird demnach die Bekämpfung des Rekorddefizits haben.


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Sicher ist, dass auf die Briten ein Sparpaket zukommen und der Wohlfahrtsstaat in einigen Bereichen eingeschänkt wird. Gleichzeitig ist die Einführung einer Bankensteuer vorgesehen, auch die Manager sollen zur Ader gelassen werden. Einschnitte bei den teils astronomisch hohen Boni stehen im Raum.

Das britische Defizit ist mittlerweile auf stolze elf Prozent des BIP angewachsen, das Stopfen des Budgetlochs hat deshalb künftig "Vorrang über alle anderen Maßnahmen", die die beiden Parteien vereinbart haben, heißt es im Regierungsübereinkommen. Am 22. Juni soll ein Notbudget verabschiedet werden, das in den folgenden Monaten durch detailliertere Pläne ergänzt wird.

Die angepeilten Maßnahmen verheißen für die, die künftig mehr Geld vom Staat wollen, nichts Gutes: "Wir werden (...) das Problem hauptsächlich über Ausgabenkürzungen und weniger über eine Anhebung der Steuern bewältigen", heißt es im Regierungsübereinkommen. Der neue Finanzminister George Osborne - alle Augen sind jetzt auf ihn gerichtet - kündigte Einschnitte im Umfang von sechs Milliarden Pfund an. Zugleich soll die Wirtschaft angekurbelt werden. Osborne will die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen erleichtern.

In dem Übereinkommen zwischen Tories und Liberalen wird festgelegt, dass das dem Verteidigungsministerium zur Verfügung gestellte Budget um 25 Prozent gekürzt wird. Zudem soll das Bildungssystem verbessert werden.

Die Koalition der konservativen Tories mit den Liberalen ist seit der vorigen Woche im Amt, nachdem bei den Wahlen keine Partei eine absolute Mehrheit erreichen konnte. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg muss ein britischer Premier auf einen Regierungspartner Rücksicht nehmen.

Brüderlicher Wettkampf um Labour-Führung

Premier David Cameron sieht sich unterdessen mit Befürchtungen konfrontiert, dass liberale Abgeordnete die ungewohnte Allianz im Parlament torpedieren könnten. Immerhin liegen Tories und Liberale programmatisch weit auseinander. Cameron zeigte sich jedoch optimistisch, dass die Koalition fünf Jahre halten werde.

In der Europa-Frage, in der es große Differenzen zwischen den skeptischen Konservativen und den pro-europäischen Liberalen gibt, haben sich erstere voll durchgesetzt. Vereinbart ist, dass Großbritannien nicht der Euro-Zone beitreten wird; bei Übertragung neuer Zuständigkeiten an die EU muss ein Referendum entscheiden.

Unterdessen sucht die bei den Wahlen geschlagene Labour-Party nach einer Nachfolge für den zurückgetretenen Ex-Chef Gordon Brown. Der 44 Jahre alte David Miliband ist bereits in den Ring gestiegen, sein Bruder Ed macht ihm Konkurrenz. Am Mittwoch gingen auch die Abgeordneten Ed Balls und John McDonnell ins Rennen; die Kandidatur des früheren Gesundheitsministers Andy Burnham wird erwartet.

Als Favoriten gelten der 43-jährige Balls, ehemaliger Staatssekretär für Bildung und ein enger Vertrauter Browns, und die Miliband-Brüder. Ed Miliband hat angesichts der familialen Verbindungen angekündigt, er erwarte einen "brüderlichen" Wettkampf. McDonnell, der klar dem linken Parteiflügel zugerechnet werden kann, wirbt für einen Rückzug der britischen Truppen aus Afghanistan. Er nimmt für sich in Anspruch, als einziger für die "Schlüsselpolitiken" von Labour zu stehen.

Erstmals bewirbt sich diesmal auch eine schwarze Abgeordnete um den Vorsitz der Labour Party. Diane Abbott, die seit 1987 im britischen Unterhaus sitzt, äußerte sich optimistisch, die nötigen Nominierungsstimmen zu bekommen. Sie will sich insbesondere an weibliche Wähler wenden, denn: "Die Mehrheit der Mitglieder der Gewerkschaften sind Frauen."