Wer die EU verlassen wolle, müsse laut Cameron mit Kriegsgefahr rechnen. Brexit-Befürworter erinnern höhnisch an die Nato.
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London. Zur bisher bittersten Auseinandersetzung in Sachen Brexit ist es am Montag gekommen, als der britische Premierminister David Cameron warnte, ein Austritt seines Landes aus der EU könne den Frieden in Europa gefährden und die Kriegsgefahr auf dem Kontinent erhöhen. Wer die EU verlassen wolle, der müsse sich fragen, ob er "dieses Risiko wirklich eingehen will".
Höhnisch erwiderte Boris Johnson, der Kopf der Brexit-Befürworter und vormalige Bürgermeister von London, es könne dem Premier ja nicht ganz ernst damit sein, "den Dritten Weltkrieg" an die Wand zu malen. Noch vor wenigen Wochen habe Cameron aller Welt erklärt, er würde seinen Landsleuten den Austritt aus der EU empfehlen, wenn die EU-Partner ihm gewisse Sozialgeld-Reformen vorenthielten.
Einige Brexit-Fürsprecher fragten nach der Cameron-Rede sogar, warum der Premier überhaupt ein Brexit-Referendum ausgerufen habe, wenn dies das Ende des Friedens in Europa bedeuten könnte. Dazu sagte Cameron, man könne nicht "eine unabhängige, souveräne Nation gegen ihren Willen in einer Organisation festhalten". Beim Referendum am 23.Juni sei aber "eine große und kühne patriotische Aktion", ein Ja zur EU, gefragt.
Bisher hatten sich die beiden Lager vor allem um wirtschaftliche Vor- oder Nachteile eines Brexits gestritten. Angesicht des weiterhin völlig offenen Ausgangs der Volksabstimmung empfand es der Regierungschef aber wohl angebracht, zu härteren Argumenten zu greifen. Der jüngsten YouGov-Umfrage zufolge sind 40 Prozent der Briten für Austritt und 42 Prozent für weitere EU-Mitgliedschaft. Die restlichen 18 Prozent wissen angeblich noch nicht, wie sie sich entscheiden werden.
In seiner "Krieg-und-Frieden"-Rede am Montag erinnerte Cameron seine Zuhörer an die "Reihen weißer Grabsteine" in den Commonwealth-Friedhöfen jenseits des Ärmelkanals - der "Preis", den sein Land bezahlt habe, um den Frieden auf dem Kontinent zu wahren. "Entweder beeinflussen wir Europa, oder es beeinflusst uns", sagte Cameron.
Was die EU schwäche, schwäche die Kräfte der Stabilität auch in den Randstaaten, meinte Cameron. Und: "Isolationismus hat unserem Land noch nie gutgetan."
Kritiker Camerons unter den Brexit-Befürwortern erklärten, der Premier habe "nicht mehr alle Tassen im Schrank", mit seiner Warnung. Für Frieden sorge schließlich die Nato, nicht die EU.
"Was mir echt Sorge bereitet, das ist, dass der großspurige Wunsch der EU, selbst Außen- und Verteidigungspolitik zu betreiben, das Risiko birgt, dass sie die Nato untergräbt", meinte Johnson. Auch jüngste Wahltriumphe der radikalen Rechten in Europa gingen teils aufs Konto der EU.
Der frühere Labour-Außenminister David Miliband nannte es "bizarr", dass Johnson zusammen mit Parteien wie der Nationalen Front Frankreichs für ein Auseinanderbrechen der EU plädiere.