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Cameron und die Offshore-Ritter

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Wirtschaft

Großbritanniens Offshore-Oasen geraten unter Reform-Druck.


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London. Zehn Staats- und Regierungschef, eine stattliche Ritterrunde, hat David Cameron heute Samstag in der Downing Street um sich versammelt. Nicht Barack Obama, Wladimir Putin und die anderen Schwergewichte der industrialisierten Welt: Die trifft der Briten-Premier nächste Woche in Nordirland, wo er als Gastgeber des G8-Gipfels in Erscheinung treten wird.

Nein, wer zu diesem Londoner Gipfel zwei Tage vorm Treffen in Enniskillen gestoßen ist, hat weniger weitläufige Ländereien zu regieren als die "Großen". Die zehn Regierungschefs der wichtigsten abhängigen Krongebiete und Übersee-Territorien Britanniens sind hier von Cameron einberufen worden. Sie sollen dem "Mutterland" ihre Ergebenheit beweisen - damit Cameron beim G8-Treffen aufs gute Vorbild des eigenen Landes abheben kann, wenn er die hohen Gäste dort zu schärferem Vorgehen gegen internationale Steuersünder drängt.

Denn um Vorwürfe von Steuerflucht und Steuervermeidung geht es zuallererst in dieser britischen Welt abseits der gesetzten Normen. Ob auf Jersey oder Guernsey, auf Anguilla, Montserrat, Gibraltar oder den Cayman Islands: Die Winzlinge, die sich bis heute in lockerer Weise dem Königreich zuzählen, gehören zu den erfolgreichsten Offshore-Finanzzentren der ganzen Erde. Sie schwimmen geradezu in Geld.

Das ist auch in Großbritannien kein Geheimnis. "Einige unserer ureigenen Territorien liegen im Herzen der Milliarden-Steuervermeidungs-Industrie", hat die Londoner Times erst diese Woche wieder geseufzt. Der britischen Lobby-Gruppe ActionAid zufolge verfügt das Vereinigte Königreich weltweit über ein Fünftel aller Steueroasen - "mehr als irgendein anderer Staat der Erde."

Kein Wunder, dass Premier Cameron zunehmend angestrengt versucht, das Image seiner Nation in Sachen Offshore-Zentren aufzupolieren. Schließlich hat er selbst die Kampagne gegen Steuerflucht ganz oben auf die G8-Tagesordnung gesetzt.

Jetzt sei "der Moment gekommen, um im eigenen Haus Ordnung zu schaffen", mahnte Cameron die kleinen Inseln, als er im Mai deren Repräsentanten zum Vorabend des G8-Gipfels nach London bestellte. All seine Dependenzen sollen sich so auf einen neuen OECD-Entwurf für eine internationale Steuer-Konvention, die sogenannte "Multilaterale Vereinbarung zur gegenseitigen Hilfe in Steuerfragen", verpflichten, die nächste Woche auch beim G8 in Nordirland eine zentrale Rolle spielen wird. Kaum eins der Krongebiete ist freilich begeistert von dieser Idee. Die Konvention, meinen sie, habe zu viele Haken.

Der Geschmackdes Kolonialismus

Einige haben auch erst einmal darüber gemurrt, dass sie von Cameron überhaupt nach London "beordert" wurden. Die "Einladung", fanden sie, schmecke "nach altem Kolonialismus". Bermudas Regierungschef Craig Cannonier muckte anfangs sogar offen auf. Er werde, sagte er trotzig, nichts unterschreiben. Es gäbe da "Stolpersteine", die erst von der OECD aus dem Weg geräumt werden müssten, bevor an Unterschrift zu denken sei.

Als "Stolperstein" empfinden Leute wie Cannonier vor allem die öffentlichen Register, deren Einführung nun auch Cameron in Erwägung zieht. Diese Register sollen die wahren Besitzverhältnisse von Trusts, Hedge Funds, Konzernen und sonstigen Firmen dokumentieren, wie sie in Null- oder Niedrigsteuer-Gebieten operieren.

Am Freitag zeigte sich Cannonier zwar schon gewillter, die Prinzipien der OECD zu akzeptieren. Aber ums Detail, um die Umsetzung dieser Prinzipien muss noch gerungen werden.

Verstimmt sind einige der britischen Offshore-Zentren auch deshalb, weil sie gerade erst Anfang Mai, auf Drängen Londons, eine neue Verpflichtung eingegangen sind. Allesamt haben sie in ein Pilot-Projekt eingewilligt, das einen Informationsaustausch zwischen ihnen, London und einer kleinen Zahl von EU-Staaten vorsieht. Dass sie keine sechs Wochen später nun schon einen potenziell globalen Austausch, auf wesentlich breiterer Datenbasis, unterschreiben sollen, geht ihnen einfach zu weit - und vor allem viel zu schnell.

Wenn es dem britischen Premierminister allerdings nicht gelinge, Unterschriften von allen Dependenzen fürs OECD-Papier zu bekommen, wäre das, 48 Stunden vom G8-Gipfel, "äußerst peinlich" für ihn, findet einhellig die britische Presse. Die Sache sei zum "zentralen Maßstab für die Glaubwürdigkeit" Camerons geworden, meint sogar David McNair vom Verband Save The Children.

Bisher kommen natürlich auch die blühenden Geschäfte seiner Offshore-Zentren dem Königreich als Ganzem finanziell zugute. Enorme Gewinne verbuche die City of London, das britische Finanzzentrum, allein schon durch "die hunderte von Milliarden Pfund", die permanent durch Jersey, Guernsey und die Isle of Man geschleust würden, notierte jüngst die "Financial Times". In Eile ist mithin keine der Inseln, ihren Status zu ändern. Auch wenn es allen immer schwerer fällt, sich gegen den Umbruch zu wehren.