Jerusalem - Nur wenige Stunden nach dem Abbruch des Nahost-Gipfels von Camp David brach Israels höchster Unterhändler sein Schweigen. Noch während Ministerpräsident Ehud Barak im Regierungs-Jet Richtung Heimat unterwegs war, berichtete der Rundfunk unter Berufung auf "die höchste politische Quelle" des Landes, was Barak in Camp David zu geben bereit war. 88 Prozent des besetzten Westjordanlandes und des Gaza-Streifens, so vermeldete Radio Israel von Bord des Flugzeugs, sollten die Palästinenser im Rahmen eines Friedensabkommens erhalten.
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Dazu kommen noch einige arabische Siedlungen am Ostrand Jerusalems, auf denen Palästinenser-Präsident Yasser Arafat dann seine Hauptstadt "Al Quds" (die Heilige) bauen sollte. Insgesamt, so gaben "die höchsten politischen Kreise" vor mitreisenden Reportern bekannt, wurden bei der zweiwöchigen Klausur in den USA Vorschläge und Ideen diskutiert, die - so ein Teilnehmer - "bisher als undenkbar galten".
Die Absicht hinter der gezielten Veröffentlichung durch Barak oder seine engsten Vertrauten kurz nach dem Gipfeltreffen: Erstmals sollten die Israelis aus erster Hand erfahren, was sich wirklich in den gemütlichen Blockhäusern von Camp David abspielte. Wochenlang waren die Israelis während des Gipfels durch die Medien ihres Landes in Atem gehalten worden. Spekulationen und Gerüchte über Forderungen, Fortschritte und Rückschläge bei den Verhandlungen füllten zahllose Seiten, weckten Hoffnung, erzeugten Empörung.
Fast täglich wartete die Presse in Israel mit neuen Sensationen von zweifelhafter Glaubwürdigkeit auf, die der Opposition aber immerhin gut genug waren, Misstrauensanträge gegen Barak einzubringen. Zwei Wochen lang wurde der Friedensprozess unter Berufung auf fragwürdige Quellen in Prozentzahlen und Siedlern pro Quadratmetern gemessen.
Doch wichtiger als die reinen Zahlen, das machten die "höchsten politischen Kreise" jetzt deutlich, war die Tatsache, dass beide Seiten in Camp David Themen ansprachen, die noch vor wenigen Wochen unaussprechlich waren. So seien palästinensische Unterhändler etwa mit einer Landkarte des Westjordanlands erschienen, auf der die jüdischen Siedlungsblöcke eingezeichnet waren. Undenkbar bisher angesichts der Forderung Arafats nach hundertprozentigem israelischen Abzug aus den Gebieten. Israelis und Palästinenser diskutierten sogar ein "Büro für Arafat" in der Altstadt Jerusalems, "einen Vorschlag, den wir natürlich abgelehnt hätten", meinte ein israelischer Unterhändler "aus der Umgebung Baraks".
Insgesamt gab sich die israelische Seite ebenso wie die Palästinenser nach dem Scheitern von Camp David ungewöhnlich optimistisch. "Die Palästinenser akzeptierten unsere Vorstellungen von Sicherheit (in den Palästinenser-Gebieten), und ich kann sagen, dass die Frage der Aufteilung der Gebiete lösbar schien. Auch in der Flüchtlingsfrage waren wir kurz vor einer Lösung", sagte Gilad Sher, Unterhändler und Barak-Vertrauter.
Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat, sonst nicht gerade als Optimist bekannt, sagte Donnerstag im US-Fernsehen ABC: "Ich denke, wir haben bereits 80 Prozent des Wegs geschafft." Und der frühere Chefunterhändler Yasser Abed Rabbo prophezeite, dass Palästinenser und Israelis sich bis zum 13. September auf ein Abkommen einigen würden. dpa