Nicht nur der Mensch hat nach einem Joint Lust auf kalorienreiche Leckereien.
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Chips, Erdnusslocken, Schokolade oder auch Essiggurken: Wer einen Joint geraucht hat, kann von ungewöhnlichen kulinarischen Gelüsten befallen werden. Dass Marijuana (Cannabis) beim Menschen Heißhunger nach kalorienreichen, geschmacksintensiven Bissen auslöst, ist bekannt. Neu ist, dass es anderen Tieren ähnlich ergeht. Ein US-Team berichtete zum "Internationalen Kiffertag" am 20. April im Fachjournal "Current Biology", dass Fadenwümer (C. elegans) ähnliche Gelüste haben, weil auch ihr Nervensystem auf Chemikalien im Haschisch reagiert.
"Cannabinoide lösen bei Fadenwürmern Heißhunger auf Lieblingsspeisen aus, wohingegen sie ungeliebte Nahrungsmittel in diesem Zustand eher ablehnen", erklärt Studienautor Shawn Lockery von der University of Oregon in Eugene. In der Evolution hätten sich die Tiere mit dem Fachnamen Nematoden allerdings vor mehr als 500 Millionen Jahren von jener Linie getrennt, die später zum Menschen führte. "Umso bemerkenswerter ist es, dass sich Auswirkungen von Cannabis auf den Körper über Jahrmillionen gehalten haben", wird Lockery in einer Aussendung zur Studie zitiert.
Medizinische Implikationen
Der Biologe hatte die Idee zu seiner Studie im Jahr 2015, als der Staat Oregon im Westen der USA den Cannabiskonsum legalisierte. Damals testeten er und seine Kollegen im Labor Nahrungsmittelpräferenzen als Grundlage für Entscheidungen im Modellorganismus C. elegans. In diesem Zusammenhang wollten sie auch mehr über die nun legal gewordenen Cannabinoide wissen.
Die Chemikalien binden an Eiweiße, genannt Cannabinoid-Rezeptoren, im Gehirn und im Nervensystem sowie im Rest des Körpers. Sie reagieren auf bestimmte, körpereigene Moleküle namens Endocannabinoide, die eine wichtige Rolle für Essenverhalten, Gefühle von Nervosität, Erinnerung, Lernen, Fortpflanzung und Metabolismus spielen.
In der Studie verzehrten die Fadenwürmer nach der Gabe der Droge größere Mengen ihrer Lieblingsnahrung. Die Wissenschafter konnten nachweisen, dass Nematoden und Menschen auf molekularer Ebene hier dasselbe System besitzen, also auch Würmer Rezeptoren für Cannabis - Endocannabinoide - haben, die für den Heißhunger zuständig sind.
In weiterer Folge ersetzte das Team diese neuronalen Rezeptoren in C. elegans durch menschliche. Die Reaktion blieb die gleiche. Marijuana macht Menschen wie Würmer hungrig. Die Prozesse, die sich dabei abspielen, wurden mit Hilfe von genetischen Veränderungen, die bestimmte Muskeln und Neuronen leuchten lassen, gezeigt.
Lockery und sein Team finden die Ergebnisse nicht nur amüsant, sondern sie sprechen auch von "signifikanten praktischen Implikationen" für die Medizin, da der Marijuana-Konsum Signale im ganzen Körper in Gang setze und zur Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten zum Einsatz kommen könne. Die Reaktionen im Modellorganismus C. elegans würden neue, unkomplizierte Möglichkeiten in der Forschung eröffnen.
In jedem Fall aber könnten schon heute Personen, die etwa hierzulande von der Polizei bei der Zucht von Marijuana auf dem Balkon erwischt werden, behaupten, dass sie das Gras nur für ihre Würmer anbauen.