Kriegsgefahr in Lateinamerika zumindest vorläufig gebannt. | Venezuela versichert, Farc nicht zu unterstützen. | Sao Paulo. Kolumbien und Venezuela haben ihre politische Eiszeit beendet und wollen jetzt einen Neuanfang der Beziehungen zwischen beiden Ländern starten. Mit einem symbolträchtigen Händedruck vor dem Bildnis des Freiheitshelden Simon Bolivar besiegelten Kolumbiens neuer Präsident Juan Manuel Santos und sein venezolanischer Amtskollege Hugo Chavez das zumindest vorläufige Ende einer der schwierigsten außenpolitischen Krisen in Lateinamerika. Beide Länder standen kurz vor einem Krieg und hatten schon ihre Truppen an der Grenze zusammengezogen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Im Ton der Freundschaft sprachen beide Staatschefs von einem "historischen Treffen" und versicherten, dass jetzt eine neue Ära der Beziehungen beginne. Chavez bemühte sich um verbale Abrüstung und sagte, er habe das Wort Krieg aus seinem Wortschatz gestrichen. Er lobte ausdrücklich den kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro für seine Weitsicht, denn dieser hatte noch am Vorabend vor einem Krieg gewarnt und beide Seiten zu Friedensverhandlungen ermahnt. Auch Santos sprach nach den Verhandlungen von einem "überaus positiven Ergebnis".
Erneut bestritt Chavez, der kolumbianischen Guerilla Farc (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) Unterschlupf auf venezolanischem Territorium zu gewähren. "Die venezolanische Regierung hat und wird nicht die kolumbianische Guerilla unterstützen", versicherte Chavez und sprach von "niederträchtigen Anschuldigungen". Der Friedensvertrag zwischen beiden Ländern wurde zudem auch auf historischem Boden besiegelt. In dem kolumbianischen Städtchen Santa Marta starb 1830 Lateinamerikas Freiheitskämpfer Bolivar.
Venezuela hatte die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien vor drei Wochen abgebrochen, nachdem der ehemalige Präsident Alvaro Uribe Venezuela vorgeworfen hatte, der linken Farc als Rückzugsgebiet zu dienen, damit sie von dort terroristische Aktionen gegen Kolumbien planen könne. Uribe hatte sogar Anzeige gegen Chavez wegen Unterstützung terroristischer Aktionen bei der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) eingereicht.
Erleichterung in Lateinamerika
Santos, der am vergangenen Samstag sein Amt von seinem Vorgänger Uribe übernahm, hatte der Überwindung der Krise mit Venezuela höchste Priorität eingeräumt. Mit dem Friedensvertrag von Santa Marta ist dem ehemaligen Verteidigungsminister ein diplomatisches Kunststück gelungen, das den Weg für eine neue Entspannungspolitik vorgibt. Viele politische Beobachter erwarten, dass Santos Kolumbien aus der außenpolitischen Isolation in Lateinamerika führen will.
Kolumbien gilt als engster Vertrauter der USA in Südamerika und hatte vor einem Jahr erlaubt, dass die Vereinigten Staaten Militärstützpunkte auf kolumbianischem Boden für den Kampf gegen den Drogenhandel errichten können. Viele lateinamerikanische Regierungen hatten diese Entscheidung scharf kritisiert.
In Lateinamerika machte sich nach dem erfolgreichen Krisenmanagement Erleichterung breit. Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, der zwischen beiden Ländern vermittelte hatte, sagte, er habe immer zu 100 Prozent an den guten Willen zwischen beiden Ländern geglaubt.