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Carl C. Icahn: Der Mann, der Yahoo und Microsoft verschmelzen will

Von Peter Muzik

Wirtschaft

US-Finanzhai will Megadeal erzwingen. | Unruhe in den Chefetagen spürbar. | New York. Das letzte Wort ist nicht gesprochen. Sollte der Mega-Deal der Software- und Internetbranche zwischen Microsoft und Yahoo (siehe Kasten) noch zustande kommen, hätte zumindest einer sein Ziel erreicht: Carl C. Icahn (72), ein amerikanischer Finanzjongleur der Sonderklasse.


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Anfang Mai hatte er binnen zehn Tagen für mehr als eine Milliarde Dollar 59 Millionen Yahoo-Aktien aufgekauft. Dann platzte ihm der Kragen: Icahn ließ seinem Ärger in einem offenen Brief an Yahoo-Chairman Roy J. Bostock freien Lauf. Er sei bestürzt, dass dieser Microsoft mit einem 47,5 Milliarden Dollar-Angebot habe abblitzen lassen. Und er werde nichts unversucht lassen, damit die Konzerne an den Verhandlungstisch zurückkehren.

Hinterlässt tiefe Spuren

Eine typische Aktion des exzentrischen Großinvestors, der seit vierzig Jahren ein gewaltiges Vermögen angehäuft hat, indem er einen tollen Riecher bewies, aber auch in zahllosen Unternehmen Unruhe verbreitete. Mit Vorliebe degradiert er als aggressiver Großaktionär unliebsame Topmanager zu Marionetten, um danach mit Kündigungswellen, Konzernzerschlagungen und Teileveräußerungen die Aktienkurse zu pushen. Der schnelle Gewinn ohne Rücksicht auf etwaige Verluste hat die steile Karriere dieses gefürchteten Mannes seit jeher geprägt.

Icahn, 1936 geboren, stammt aus einer jüdischen Familie (die Mutter war Lehrerin, der Vater Anwalt) und wuchs in Queens, New York City, auf. Er studierte an der Princeton University Philosophie und an der New York University Medizin, was er allerdings vorzeitig abbrach, um 1961 Praktikant bei einem Brokerhaus an der Wall Street zu werden. 1968 gründete er seine Icahn & Co. Inc., die sich auf den Optionenhandel konzentrierte.

In den späten Siebzigerjahren stieg er in jenes Geschäft groß ein, das ihm fortan teuflischen Spaß bereitete: Als sogenannter Corporate Raider kaufte er unentwegt unterbewertete Aktienpakete, übte Druck auf das Management aus, um matte Kurse in die Höhe zu treiben, zerschlug die Konzernstruktur, sperrte unprofitable Unternehmensteile zu und verkaufte die profitablen frühestmöglich mit irren Gewinnen.

Auf diese Weise hinterließ er in den wilden Achtzigerjahren, als Typen wie er, Kirk Kerkorian oder Ronald Perelman das große Geld machten, bei Companys wie United States Steel Corporation, Gulf & Western oder Texaco Oil tiefe Spuren. Allein der Verkauf seines 17-Prozent-Anteils an Texaco für 2,1 Milliarden Dollar bescherte ihm 600 Millionen Profit.

Als frühes Meisterstück gilt die feindliche Übernahme der maroden US-Fluglinie Trans World Airlines (TWA), die er 1985 für 300 Millionen Dollar übernommen hatte. Er zerlegte sie in Divisions, die er weiter verkaufte - auch an die Konkurrenz. 1992 schlitterte die schwer defizitäre TWA in die Pleite. Icahn hinterlegte seine 80 Prozent der Aktien auf einem Treuhandkonto und schied aus, bekam aber das Recht, 610 Millionen TWA-Tickets zum halben Preis über seinen Internet-Anbieter Lowestfare.com zu verscherbeln.

Die Geschäfte liefen für den Pokerspieler prächtig. Nebenbei dirigierte er an der Spitze seiner Starfire Holding Corporation ein beachtliches Firmenimperium, zu dem etwa der Güterwaggon-Hersteller ACF Industries gehörte.

Doch plötzlich war die Fortune weg. 1989 wurde Icahn in den Skandal rund um den Junk Bond-König Michael Milken von der Investmentbank Drexel Burnham Lambert verstrickt, dem er dank hochriskanter Unternehmensanleihen riesige Profite zu verdanken hatte. Icahn zog sich kurzfristig zurück, um aus den Schlagzeilen zu geraten.

Platz 18 der US-Reichen

Im November 1990 tauchte er jedoch wieder als Chairman der Immobilienfirma American Property Investors auf, die bis heute in seinem Besitz ist.

Laut Branchenblatt "Institutional Investor" hat er sich im Zeitraum 1996 bis 2004 an 56 Gesellschaften beteiligt und dabei 2,8 Milliarden Dollar abgesahnt. Allein bei der Zerschlagung des Tabak- und Lebensmittelkonzerns RJR Nabisco soll er 600 Millionen Dollar verdient haben. Heute wird Icahn, der im 47. Stock des General Motors-Wolkenkratzers an New Yorks Fifth Avenue residiert, auf ein Privatvermögen von 17 Milliarden Dollar geschätzt. Laut "Forbes" sind nur 17 Amerikaner reicher als er; in der Rangliste der vermögendsten Menschen der Welt liegt er auf Platz 46.

Allein der Wert der Firmenbeteiligungen seines Fonds Icahn Management beläuft sich auf knapp 4,8 Milliarden Dollar. Mit seinem Hedgefonds Icahn Partners und der von ihm dominierten American Real Estate Partners (AREP) landet er laufend spektakuläre Coups, die ihm den Ruf des brutalen Finanzhais eingebracht haben.

Icahn hält unter anderem Anteile an der Videotheken-Kette Blockbuster, der Investmentbank BKF Capital, am Pharmakonzern Mylan Laboratories, am Energieunternehmen Kerr-McGee oder am Biotech-Spezialisten ImClone. Obendrein kontrolliert er die XO Holdings sowie den Breitbandanbieter XO Communication Inc., den er Mitte 2002 als einer der größten Gläubiger aus der Insolvenz übernahm. Das Ziel, rund um XO eine kompakte Telekom-Company zu formen, ließ ihn alsbald beim insolventen Glasfasernetzbetreiber Global Crossing aktiv werden: Mit seinem Angebot, 700 Millionen Dollar auf den Tisch zu blättern, blitzte er allerdings ab.

Eklat folgt auf Eklat

Der bisweilen ziemlich störrische Firmenjäger wird in den Vorstandsetagen gefürchtet. Jeder weiß, dass es seine Lieblingsbeschäftigung ist, die CEOs zu quälen, seinen Willen durchzusetzen, um Aktienkurse in die Höhe zu treiben und möglichst rasch abzucashen. Meist setzt er sich durch - etwa im Oktober 2006, als er mit drei Vertrauten beim US-Biotech-Konzern ImClone schlagartig die Macht im Aufsichtsrat übernahm und den seines Erachtens unfähigen Vorstandschef zum Rücktritt zwang.

Eine spektakuläre Einlage leistete er sich als Großaktionär von Time Warner: Sechs Monate lang kämpfte er erbittert um die Aufspaltung des weltgrößten Medienkonzerns in vier Einzelunternehmen. Time Warner-Boss Dick Parsons behielt zwar die Oberhand und verhinderte im Februar 2006 die Aufspaltung, musste jedoch etliche Zugeständnisse machen, darunter ein verstärktes Aktienrückkauf-Programm.

Für Turbulenzen sorgte der 72-Jährige auch beim Softwareunternehmen Bea Systems, bei dem er sich erst Mitte 2007 eingekauft hatte. Als es im Herbst auf ein feindliches Übernahmeangebot des Rivalen Oracle nicht einstieg, reagierte Icahn: Er reichte Klage ein und schaffte prompt einen Stimmungsumschwung. Im Jänner 2008 war Oracle bei Bea am Ziel - und Icahn der große Gewinner.

Beim krisengeschüttelten Telekomausrüster Motorola löste der aggressive Aktionär ebenfalls eine Krise aus: Weil man sich gegen seinen Aufspaltungsplan wehrte, befasste er auch hier die Gerichte, sägte den Konzernchef ab - und siegte auf allen Linien: Anfang April einigte man sich, dass die verlustreiche Handy-Sparte in ein börsenotiertes Unternehmen ausgegliedert werde und Icahn, der 115 Millionen Motorola-Papiere besitzt, zwei Sitze im Verwaltungsrat bekommt.

Ein ähnliches Spiel hat er nun bei Yahoo begonnen - dessen Ausgang ist allerdings noch ungewiss.

Wissen: Der virtuelle Mega-Konzern

Der Software-Gigant Microsoft gab am 1. Februar 2008 sein Interesse an der Übernahme von Yahoo, der nach Google zweitgrößten Internet-Suchmaschine, bekannt und bot 44,6 Mrd. Dollar. Dieses Angebot wurde am 11. Februar von den Yahoo-Chefs als zu gering abgelehnt. Schließlich zog Microsoft das auf 47,5 Mrd. Dollar erhöhte Angebot am 3. Mai zurück. Daraufhin wandte sich der Großinvestor Carl Icahn am 15. Mai mit einem Brief an Yahoo-Chairman Roy J. Bostock: Im Namen der Yahoo-Aktionäre forderte er ihn auf, doch noch an Microsoft zu verkaufen. Jetzt wird erneut verhandelt: In der Nacht auf Montag bestätigte Microsoft "strategische Gespräche"; es würden Alternativen zur Komplettübernahme gesucht. Microsoft-CEO Steven Ballmer soll es nur mehr auf die Rosinen des Yahoo-Portfolios abgesehen haben; speziell die Vermarktung der Suchmaschine.

Für Icahn undenkbar: "Er will nicht erleben, dass Yahoo in irgendeine Art Joint Venture mit Microsoft geschubst wird", so ein Vertrauter. Stattdessen wolle Icahn jetzt drängen, dass Yahoo eine Allianz mit Google eingeht.