Im Nationalrat hagelte es gegenseitige Vorwürfe wegen Postenschacher. SPÖ und Neos schossen sich auf die ÖVP ein.
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Was wusste der Koalitionspartner ÖVP", fragte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. "Es ist kein blauer, es ist ein türkis-blauer Skandal", wetterte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Rote und Pinke rückten bei der Sondersitzung des Nationalrats zur Casinos-Affäre die Frage nach der Rolle der ÖVP in den Mittelpunkt. Für die ÖVP verwahrte sich Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl prompt gegen Unterstellungen, dass die ÖVP in die Vorgänge involviert sei. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl ging zum Gegenangriff in Sachen Postenschacher über. Er warf der SPÖ ein "Skandalisierungsgeschwurbel" vor, weil statt dem roten Vertreter Dietmar Hoscher mit Peter Sidlo ein FPÖ-Politiker zum Zug gekommen sei: "Sie haben sehr viel Butter am Kopf, wenn‘s um die Casinos geht."
Die Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft, die den Verdacht prüft, dass bei der Bestellung des FPÖ-Politikers Peter Sidlo zum Casinos-Finanzvorstand von der FPÖ im Gegenzug dem Glückspielkonzern Novomatic zusätzliche Glücksspiellizenzen in Aussicht gestellt wurden, sorgten bei der Sondersitzung für heftige Kontroversen. Die Justiz ermittelt wegen des Verdachts der Bestechung, des Amtsmissbrauchs und der Untreue. Unter den zehn Beschuldigten sind Ex-FPÖ-Obmann Heinz Christian Strache und Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), sie weisen die Vorwürfe zurück. Sichergestellte Chatprotokolle nähren hingegen den Verdacht der Ermittler.
Minister Müller lässt Finanzprokuratur prüfen
In 94 Fragen wollte die SPÖ in einer Dringlichen Anfrage Auskunft von Finanzminister Eduard Müller. Er sicherte Behörden und Parlament "vollumfänglich" Unterstützung bei der Aufklärung zu. Allerdings musste er bei vielen Fragen passen ("ich bitte um Verständnis"), weil er an die Amtsverschwiegenheit gebunden sei oder er Medienberichte nicht kommentiere und es sich bei den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft um eine "Verschlusssache" handle.
Müller erklärte aber, dass Ex-Minister Löger in der Causa keine Weisungen erteilt habe. Er habe die Finanzprokuratur mit einer Prüfung in der Causa beauftragt. Dabei geht es um die Prüfung eines Privatgutachtens zur Besetzung eines Casinos-Vorstandes - wohl um Peter Sidlo. Dessen Eignungsprüfung sei bei der Bestellung heuer im April von den Casinos bescheinigt worden. Zu diesem Zeitpunkt seien "keine Mängel" bekannt gewesen, die einer Bestellung widersprochen hätten.
In der Debatte hagelte es gegenseitige Vorwürfe. SPÖ-Chefin Rendi-Wagner verwies auf den Verdacht der Justiz, "Postenvergabe gegen Casino-Lizenzen": "Dieser Verdacht des Gegengeschäfts wiegt schwer." Alles sei "zutiefst aufklärungswürdig". SPÖ, Grüne und Neos seien für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, dieser sei "unausweichlich".
ÖVP-Obmann Sebastian Kurz hat bereits mit Klagen gedroht, wenn der ÖVP oder ÖVP-Vertretern in der Casinos-Affäre strafrechtlich Relevantes unterstellt werde. SPÖ--Abgeordneter Kai Jan Krainer legte dennoch in der Sondersitzung nach, wenn Kurz behaupte, er habe von allem nichts gewusst, "dann glaub ich ihm kein Wort".
ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl spielte den Ball an den früheren blauen Koalitionspartner weiter. Sollte es seitens der FPÖ im Hintergrund zu "kriminellen Absprachen" gekommen sein, "dann ist das auf das Schärfste zu verurteilen". Die ÖVP werde aktiv mitarbeiten, die Vorwürfe aufzuklären. Man werde aber rechtliche Schritte ergreifen, sollte Kurz oder Ex-Kanzleramtsminister Gernot Blümel unterstellt werden, in die Vorgänge involviert zu sein , bekräftigte er.
Grünen-Chef: "Unfähigesollte man nicht nehmen"
Ähnlich wie FPÖ-Klubchef Herbert Kickl drehte Gerstl den Spieß bei Postenbesetzungen bei den Casinos um: "Überhaupt sollte die SPÖ vor der eigenen Tür kehren." Kickl sah einmal mehr ein "FPÖ-Bashing" und eine "‘Treibjagd" auf Sidlo. Den Vorwurf des Postenschachers wies er zurück: "Es gibt keine Bestechung", weil es kein Gegengeschäft gegeben habe.
Grünen-Chef Werner Kogler, der gerade mit der ÖVP über eine türkis-grüne Regierung verhandelt, schoss sich ganz auf die FPÖ ein. Immer dann, wenn die Blauen in der Regierung seien, gebe es eine "gewisse Häufung von illegalen Aktionen". Kogler hat zwar nichts dagegen, dass die Regierung Posten im öffentlichen Bereich mit Leuten ihres Vertrauens besetzt, aber: "Unfähige sollte man nicht nehmen."
"Wir halten es für denkunmöglich, dass die ÖVP von dem Postenschacher nichts gewusst hat", meinte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die wie die SPÖ auf einen U-Ausschuss drängte. Von der "üblichen Postenschacherei" unterscheide sich die Casinos-Causa, weil wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs, der Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt werde.
Der tschechische Casinos-Aktionär Sazka fordert angesichts der Turbulenzen im "Standard" eine umfassende personelle Erneuerung beim teilstaatlichen Unternehmen. Sollte diese ausbleiben, so hofft Sazka-Chef Robert Chvatal auf ein Machtwort des künftigen Bundeskanzlers.