EuGH-Urteil könnte gefährlich werden. | Eigentümer sind eine mächtige Lobby. | Keine Fusion mit den Lotterien. | Wien. Alle gegen einen: Das ist die Devise von heimischen Unternehmen, die im Glücksspielgeschäft tätig sind und dem unangefochtenen Marktleader, den Casinos Austria, an den Pelz wollen.
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Vom Gumpoldskirchner Automatenhersteller und im Ausland erfolgreichen Kasino-Spezialisten Novomatic über den Sportwetten- und Onlinespiele-Anbieter Bwin bis zu diversen Glücksrittern, die mit Spielhöllen von bisweilen halbseidenem Zuschnitt mitmischen - sie alle möchten der Casinos Austria AG und der mir ihr verbundenen Österreichischen Lotterien GmbH das Leben so schwer wie möglich machen.
Der Kampf wird auf mehreren Ebenen und mit brutaler Härte geführt: In einem von Bwin angestrengten Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof war vorige Woche im Schlussantrag des Generalanwalts zu lesen, dass staatliche Monopole unter gewissen Umständen in Ordnung sind.
Wenn es aber um die Erzielung möglichst hoher Gewinne gehe, müsse der Markt in dem betreffenden Land auch für andere Anbieter geöffnet werden. Die endgültige Entscheidung des EuGH wird in rund sechs Monaten erwartet.
Die Casinos-Austria-Gruppe beschäftigt weltweit 13.800 Mitarbeiter - 2300 davon in Österreich - und scheint auf den ersten Blick eine ruhige Kugel zu schieben: Im Vorjahr hat sie ihren Umsatz um 4,1 Prozent auf fast 3,49 Milliarden Euro steigern können.
Mit etwa 20 Millionen Gästen in weltweit 78 Kasinos - das sind pro Tag 55.000 Spieler - wurde dank 1100 Spieltischen und 10.800 Slot-Maschinen ein neuer Besucherrekord verzeichnet.
Die Realität sieht jedoch nicht nur rosig aus: Zum einen muss sich das Unternehmen darauf vorbereiten, dass es mit seiner Monopolstellung spätestens im Jahr 2012 vorbei sein wird. Und dann dürfte es am Markt richtig brutal zugehen.
Zum anderen ziehen schon jetzt dunkle Wolken in der Branche auf: Im ersten Halbjahr 2008 hat die schlechter werdende Konjunktur dem internationalen Geschäft bereits einen argen Dämpfer versetzt: Die Umsatzerlöse im Ausland, wo 53 rot-weiß-rote Kasinos in 17 Ländern - von Dänemark und Schweiz über Italien und Ungarn bis Rumänien und Griechenland - betrieben werden, dazu kommen 13 Spielstätten auf Schiffen, sanken ebenso wie das Nettoergebnis beträchtlich.
Die Ängste wegen der internationalen Finanzkrise, die hohe Inflation und die gestiegenen Treibstoffpreise halten immer mehr Kasino-Freunde davon ab, ihr Glück im Spiel zu suchen - ein weltweiter Trend.
Am Heimmarkt Österreich, wo Lotto "6 aus 45", Toto mit Torwette, Euro-Millionen, Bingo, Zahlenlotto, Rubbellos, Brieflos, Klassenlotterie oder "Win2day.at" und "WinWin" mittels Konzessionsbescheides des Bundes den Österreichischen Lotterien vorbehalten sind, spielt der Glückskonzern jedenfalls noch in einer eigenen Liga.
Das dichte Netz aus 3900 Annahmestellen, fast 7000 Brieflos- und beinahe eben so vielen Rubbellos-Vertriebsstellen wirkt zwar durchaus imposant, doch einige Marktsegmente sind praktisch gesättigt.
Deshalb müssen unentwegt neue Spiel-Ideen entwickelt werden, wie beispielsweise der im Februar auf "Win2day" gestartete virtuelle Pokerroom. Starke Umsatzzuwächse konnten auch bei "WinWin" verzeichnet werden.
Das reine Kasino-Geschäft läuft in Österreich vor dem Hintergrund der vielen legalen und illegalen Automaten- und Pokerkasinos sowie angesichts des Booms von Internetspielen nicht gerade berauschend.
Im Vorjahr ließen sich in den heimischen Betrieben 2,44 Millionen Gäste blicken - ein relativ bescheidener Zuwachs von 0,8 Prozent. 2006 wurde eine große Investitionsoffensive gestartet, wobei im Vorjahr rund 23 Millionen Euro in die Neugestaltung von drei österreichischen Kasinos geflossen sind.
Medien naschen beim Glücksspiel mit
Bei einem Umsatz von 277 Millionen wurde 2007 ein Minus beim Betriebsergebnis geschrieben - unter dem Strich blieb ein Jahresüberschuss von 8,2 Millionen Euro. Ein Jackpot sind die Roulette-Tempel freilich nicht. Bei gleichbleibendem Umsatz rechnen die Casinos für heuer mit einem Besucherrückgang von rund einem Prozent, wie Casinos-Sprecher Martin Himmelbauer sagt. "Die Branche ist sehr stark zyklisch".
Die Casinos-Austria-Aktionäre müssen sich jedenfalls auf härtere Zeiten gefasst machen: Das Unternehmen gehört dem Raiffeisen-Konzern (Uniqa Versicherung und Leipnik Lundenburger), der staatlichen Münze Österreich, dem Bankhaus Schelhammer & Schattera sowie der MTB Privatstiftung der 80-jährigen Maria Theresia Bablik, die den Anteil von ihrem Mann geerbt hat und immer noch als Vizepräsidentin im Aufsichtsrat sitzt.
Der Rest wird von der Privatstiftung Melchart, diversen anderen Stiftungen, institutionellen Anlegern sowie etlichen Privataktionären gehalten, darunter der langjährige Ex-Casinos-Boss Leo Wallner, der im Hintergrund nach wie vor viele Fäden zu ziehen pflegt (siehe Grafik).
Die Casinos Austria AG wiederum hält 68 Prozent an der Österreichischen Lotterien GmbH. 26 Prozent befinden sich im Besitz der Lotto-Toto Holding, deren Eigentümer die heimische Bankenprominenz ist - von der Bank Austria über die Erste Bank bis zu Volksbanken und Hypo Banken.
Die restlichen sechs Prozent der Gesellschaftsanteile hat sich der ORF gesichert. Damit ist alles in allem eine der stärksten österreichischen Lobbys am Werk, die ihre Interessen dank bester Kontakte zur Politik mit Nachdruck zu vertreten im Stande ist.
Gleichzeitig naschen auch diverse Printmedien am Glückspiel mit: An der Österreichische Sportwetten GmbH, einer Tochtergesellschaft der Casino- und Lotterien-eigenen Entertainment Glück- und Unterhaltungsspiel GmbH, halten die Mediaprint Holding ("Krone" und "Kurier") und fünf Bundesländer-Tageszeitungen ("Kleine Zeitung", "Tiroler Tageszeitung", "Salzburger Nachrichten" und andere) immerhin 44 Prozent.
Die mediale Kritik an der Monopolstellung fällt daher mitunter unter den Tisch - oder erfolgt nur schaumgebremst.
Zweitgrößter Steuerzahler
Eines kommt den beiden Unternehmen jedenfalls zugute: Die 1967 gegründete Österreichische Spielbanken AG, die 1985 in Casinos Austria AG umbenannt wurde, hat in den letzten vier Jahrzehnten - samt ihrer seit 1986 existierenden Lotterien-Tochter - an den Fiskus rund zehn Milliarden Euro abgeliefert.
Mit einer Steuerleistung von zuletzt 551 Millionen Euro sind Casinos samt Lotterien für den Staat nach dem Tabakmonopol der zweitgrößte Steuerzahler.
Es war die große Leistung von Ex-Boss Leo Wallner, dem Unternehmen in fast vierzig Dienstjahren trotz des ziemlich halbseidenen Images, das dieser Branche weltweit anhaftet, einen durchaus seriösen Anstrich verpasst zu haben. "Er hat Unglaubliches geschafft - nämlich so weit oben zu stehen und trotzdem keine Feinde zu haben", streut Lotterien-Manager und Fußball-Präsident Friedrich Stickler dem "Herrn der Spiele" Rosen. Wallner trieb in erster Linie die Expansion im Ausland voran, wobei er unter anderen mit Martin Schlaff oder Helmut Elsner zu tun hatte.
Der neue Casino-General Karl Stoss bereitet die Gruppe nun auf die eindeutig schwieriger werdende Zukunft vor: Die ursprünglich angedachte Fusion zwischen Casinos Austria und Österreichischen Lotterien wird es zwar bis auf Weiteres nicht geben. "Beide Unternehmen werden gesellschaftsrechtlich eigenständig bleiben", sagt Stoss.
Eine neue Struktur soll die beiden Gesellschaften jedoch schlagkräftiger machen. Der neue Chef setzt auf administrative und organisatorische Reformen, hat die Aufgaben im Vorstand neu verteilt und dreht kräftig an der Kostenschraube. Zu hartnäckig kursierenden einschlägigen Gerüchten meint Stoss: "Es gibt keine Pläne für einen Mitarbeiterabbau".
Schließlich fiel im April die Entscheidung, das Casinos-Headquarter, ein fast 140-jähriges Ringstraßen-Palais am Karl Lueger-Ring in der Wiener Innenstadt, zu verlassen und beide Gesellschaften am Lotterien-Standort im dritten Bezirk zusammenzufassen.