Mexiko - Der Gesundheitszustand von Staats- und Parteichef Fidel Castro ist eines der bestgehüteten Geheimnisse auf Kuba. Immer wieder wurde der "Maximo Lider" von seinen Feinden in der Exilgemeinde in den USA für krank und manchmal auch für tot erklärt. Und immer wieder erwiesen sich entsprechende Berichte als bloße Gerüchte. Dass Castro aber, wie am vorigen Samstag geschehen, bei einer öffentlichen Rede plötzlich zusammenbricht, hatte es noch nie gegeben. Nun bewegt die Frage, was nach Castro in Kuba, einem der letzten kommunistischen Länder der Welt, passieren könnte, aufs Neue die Fantasie von Anhängern und Gegnern.
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Castro selbst hat in den vergangenen Jahren immer wieder versichert, dass sich im Falle seines Ablebens auf der Karibikinsel gar nichts ändern werde. Denn längst sei eine neue Generation von Revolutionären nachgewachsen. Als seinen möglichen Nachfolger hat Castro immer wieder seinen Bruder und Stellvertreter in allen Ämtern Raul Castro genannt, der mit seinen 70 Jahren aber kaum jünger ist als er. Raul Castro, einer der wenigen überlebenden Guerillakämpfer der 50er Jahre, gibt der Welt immer noch Rätsel auf: Einerseits gilt der Verteidigungsminister als orthodoxer Kommunist, andererseits aber auch als Pragmatiker, der nach dem Motto "Bohnen gehen vor Kanonen" für Reformen in der Landwirtschaft sorgte.
Raul Castro verfügt nicht über das seinem Bruder eigene Charisma. US-Medien zitierten den Kuba-Experten und früheren CIA-Mann Brian Latell mit der Ansicht, dass nach Castros Ableben eine Machtaufteilung zwischen mehreren Politikern am wahrscheinlichsten sei. Die neue kollektive Führung werde zunächst an den revolutionären Prinzipien unbeirrt festhalten, die Frage sei jedoch, wie sie in Krisensituationen reagiere.
Als mögliche Kandidaten für Spitzenposten gelten sei Jahren Parlamentspräsident Ricardo Alarcon (64) und Vizepräsident Carlos Lage (49). Alarcon, ein früherer Außenminister, führt die kubanischen Delegationen bei den regelmäßigen Migrationsgesprächen mit den USA, den einzigen offiziellen Kontakten zwischen beiden Ländern. Lage ist der Architekt der 1993 eingeleiteten Wirtschaftsreformen, die allerdings schon seit Jahren nicht mehr vorankommen. Als der jüngste in der kubanischen Führungsmannschaft tritt Außenminister Felipe Perez Roque (36) immer häufiger in Erscheinung. Castros früherer Privatsekretär war es, der nach dem Ohnmachtsanfall seines Chefs am Samstag ans Mikrofon sprang und die Menge beruhigte.
In der Exilgemeinde im Miami (US-Staat Florida) löste die Nachricht von Castros Schwächeanfall große Freude aus. "Hoffentlich war das noch ernster als es aussah", sagte die aus Kuba stammende Kongressabgeordnete Iliana Ross-Lethinen. Manche Bewohner der Stadt wollten einem Bericht der Zeitung "The Miami Herald" zufolge schon "die Boote nach Kuba klarmachen" - ohne zu bedenken, dass die Insel auch nach Castro über eine der stärksten Armeen Lateinamerikas verfügen dürfte. Die Oppositionellen auf Kuba selbst reagierten besonnener, denn viele von ihnen meinen, dass eine politische Öffnung unter Castros Führung friedlicher verlaufen würde als ohne ihn.