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Causa Libro: "Schadensberechnung lässt sich nicht nachvollziehen"

Von Kid Möchel

Wirtschaft

Verteidiger Sporn fährt schwere Geschütze gegen das Erstgericht auf.


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Wiener Neustadt. Das höchstgerichtliche Nachspiel um das Urteil gegen Ex-Libro-Vorstandschef André Rettberg & Co dürfte spannend werden. Denn Rettbergs Verteidiger Werner Sporn hat eine 189 Seiten starke Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Gerichtsverfahren, die Richterin, den Sachverständigen und das Urteil beim Obersten Gerichtshof eingebracht. Zugleich hat Sporn in der Berufung die Schadenswiedergutmachung (5,385 Millionen Euro), zu der Rettberg verurteilt wurde, beeinsprucht. Zur Erinnerung: Rettberg, der derzeit eine frühere Strafe absitzt, ist am 21. Juni 2011 wegen Untreue und Bilanzfälschung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er bestreitet jegliche Schuld. Er habe sich auf die beigezogenen Berater verlassen. Diese saßen aber nur zum Teil mit ihm auf der Anklagebank.

Ein Nullsummenspiel?

So wurde dem Ex-Libro-Chef vorgeworfen, in der Bilanz 1998/99 umgerechnet 9,72 Millionen Euro Gewinn falsch ausgewiesen, die Ausschüttung einer Sonderdividende (31,97 Millionen Euro) zum Teil an die Alleinaktionärin UD-AG ermöglicht und zur Finanzierung der Sonderdividende rund 32,34 Millionen Euro Fremdkapital aufgenommen zu haben.

"Dass der Gewinn um 9,72 Millionen Euro zu hoch ausgewiesen wurde, lässt sich rechnerisch nicht nachvollziehen", entgegnet Sporn anhand der Berechnungen im Urteil. Dass 9,28 Millionen Euro in Form einer verbotenen Einlagenrückgewähr an die Alleinaktionärin ausbezahlt wurden, und dass durch die Fremdfinanzierung der Sonderdividende Libro ein Vermögensnachteil zugefügt wurde, stellt Rettberg in Abrede. Es sei im Urteil nicht bedacht worden, dass "durch die Verschmelzung von Libro AG bzw. Librodisk Handels AG mit der UD-AG die Ausschüttung der Sonderdividende und die Darlehensaufnahmen im Ergebnis wirtschaftlich ja ein ‚Nullsummenspiel‘ waren." "Die Berechnungen des Erstgerichts lassen sich nicht miteinander in Einklang bringen", heißt es weiter. "Auch in einem Strafverfahren und vor allem bei einem Schuldspruch ist ein gewisses Mindestmaß an Präzision zu verlangen. Seitenweise werden in der Beschwerde Vorwürfe von "unvollständigen, offenbar unzureichenden, widersprüchlichen und aktenwidrigen" Begründungen im Urteil angeführt. "Keinesfalls war für Rettberg auch nur ansatzweise erkennbar, dass die Bewertung von Libro Deutschland nicht richtig gewesen sein soll", heißt es darin. "Und schon gar nicht kann ihm unterstellt werden, dass diese Bewertung durch KMPG nicht als Beteiligungsansatz der Libro AG dienen hätte können."

"Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Richterin den Überblick über das umfangreiche Beweisverfahren und dessen Ergebnisse verloren hat und sich deshalb kein gewissenhaftes Bild von den Verfahrensergebnissen machen konnte, um alle relevanten Beweisergebnisse beurteilen zu können", schreibt Sporn. Zugleich wird der Richterin unterstellt, nach 34 Verhandlungstagen in nur zwei Stunden mit zwei anscheinend thematisch überforderten Schöffen ein Urteil gefällt zu haben. "Die Entscheidung kann nur von der Richterin inhaltlich vorgegeben worden sein", behauptet der Verteidiger.

Freispruch gefordert

Als Nichtigkeitsgrund wird auch "ein Anschein der Befangenheit" unterstellt, weil der Viertangeklagte, ein Ex-Libro-Aufsichtsrat, ein geschäftliches Naheverhältnis zum Ehemann der Richterin haben soll. Der Viertangeklagte wurde rechtskräftig freigesprochen.

"Diese Vorwürfe werden von uns vehement zurückgewiesen", kontert Hans Barwitzius, Sprecher des Landesgerichtes Wiener Neustadt. Indes fordert Verteidiger Sporn einen Freispruch für Rettberg bzw. eine neue Verhandlung des Falles vor dem Erstgericht.