Die Frist für die Auslieferung des Serbenführers ist erneut abgelaufen. | Europa könnte in Belgrad bald zum Gespött zu werden. | Schon einmal hat die Europäische Union Gnade vor Recht ergehen lassen. Am Sonntag ist die Frist, die Brüssel Belgrad gesetzt hat, um den mutmaßlichen serbisch-bosnischen Kriegsverbrecher Ratko Mladic auszuliefern, erneut abgelaufen. Wo sich der Mann befindet, ist unklar wie eh und je. Die EU hat für diesen Fall angekündigt, die Verhandlungen mit Belgrad über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen auszusetzen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Für die verantwortlichen EU-Politiker ergibt sich nun folgendes Problem: Klar ist, dass die europäische Wertegemeinschaft nicht mit einer Regierung kooperieren kann, die ganz offensichtlich Menschen deckt, die unter dem dringenden Verdacht stehen, für die Ermordung tausender Menschen verantwortlich zu sein. Wird die Frist für die Auslieferung Mladics ein weiteres Mal verlängert, dann macht sich die EU international und vor allem in Belgrad lächerlich und erweist sich einmal mehr als zahnlos. Denn schon während der Balkan-Kriege hat die EU ihre außenpolitische Schwäche offenbart.
Will die EU ihre Glaubwürdigkeit nicht verspielen, dann müssen jetzt Sanktionen folgen. Sprich: Die Verhandlungen, die Serbien näher an die EU heranführen sollen, müssen auf Eis gelegt werden. Auch Österreichs ehemaliger Vizekanzler, der nunmehrige Koordinator des Balkan-Stabilitätspaktes, Erhard Busek, fordert eine härtere Gangart gegenüber Belgrad.
Dort hat man bereits vor längerer Zeit begonnen, die EU mit einem Katz-und Maus-Spiel zu foppen. Geschickt wird immer wieder verbreitet, man stehe kurz vor der Festnahme Mladics, man wisse, wo er sei, man verhandle über die Modalitäten seiner Übergabe. Dass Belgrad mit diesen Falschmeldungen nur Zeit gewinnen will, liegt auf der Hand.
Auch muss es der EU jetzt darum gehen, den Eindruck zu vermeiden, man messe mit zweierlei Maß. Schließlich zeigte man sich in Brüssel unerbittlich, als es um die Überstellung des mutmaßlichen kroatischen Kriegsverbrechers Ante Gotovina nach Den Haag ging. Als Zagreb säumig war, wurde der Beginn der geplanten Beitrittsverhandlungen verschoben.
Andererseits - und das ist im Bewusstsein der serbischen politischen Elite durchaus verankert - kann die EU Belgrad nicht ewig aussperren. Denn anders als im Fall der Türkei zweifelt kaum jemand daran, dass Serbien und die übrigen Länder des Westbalkans zu Europa gehören. Der EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens steht unmittelbar bevor. Wenn es (spätestens 2008) soweit ist, dann befindet sich mitten in Europa eine Region, in der Instabilität und Korruption herrschen und Mafia-Clans ihr Unwesen treiben.
All das wird EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn zu bedenken haben, wenn er am Mittwoch mit UN-Chefanklägerin Carla del Ponte die weitere Vorgehensweise berät. Klar ist, dass sich die EU nicht weiter foppen lassen darf und Konsequenzen ziehen muss. Klar ist auch, dass sie in ihrem eigenen Interesse die Türe für Belgrad nicht auf immer und ewig zumachen kann.