Dass Armin Laschet CDU/CSU-Frontmann ist, sorgt in der konservativen Union für Unmut. Ein Lokalaugenschein im Saarland.
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Selbst bei der Sache mit den Waffenlieferungen unterbricht Tobias Hans sein Kopfnicken nicht. Der saarländische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende wirkt etwas verträumt, nickt in einem ganz entspannten Rhythmus, während der junge Mann vom Verein Blue Future auf der Bühne die deutsche Politik für Kriege im Nahen Osten, unnütze Entwicklungshilfe in Afrika und eben wegen Waffenlieferungen kritisiert.
Es wirkt, als sei Tobias Hans an der Stelle der Rede hängengeblieben, in der der junge Mann, Tibor Sprick, gerade erklärt hat, was für ihn "das Tolle am Saarland" ist: Der Zusammenhalt und das respektvolle Miteinander sei im Saarland ausgeprägter als in den anderen 15 deutschen Bundesländern. Im kleinsten deutschen Bundesland seien auch politische Gegner nie so verfeindet, dass sie nicht mehr miteinander reden könnten, sagt Sprick, dessen Verein in eine in Tansania entwickelte Wasserfiltertechnik investiert und so bisher in Afrika rund 250 Jobs geschaffen und für rund 22.000 Menschen die Versorgung mit sauberem Trinkwasser sichergestellt hat. Und obwohl die Partei des Ministerpräsidenten in Sachen Waffenlieferungen und Kriegseinsätzen eine ganz andere Meinung habe als der Verein, könne man im Saarland gut miteinander reden. Und er sei dankbar, dass Tobias Hans das Projekt von Anfang an unterstützt hat. Der Ministerpräsident nickt weiter. Auch die Landes-Wirtschaftsministerin, Anke Rehlinger von der SPD, signalisiert Zustimmung.
Ein Parteisoldat
Hans und Rehlinger regieren im Saarland zusammen. Als Parteipolitiker kämpfen sie gerade gegeneinander und werben um Stimmen für ihre jeweiligen Kandidaten zur Bundestagswahl am 26. September.
Zumindest für Tobias Hans ist der politische Gegner gerade allerdings nicht das allergrößte Problem. Dass die CDU, die die Bundestagswahl vor vier Jahren mit 32,9 Prozent souverän gewonnen hat, in aktuellen Umfragen auf Werte um die 20 Prozent abgestürzt ist, liegt auch an Parteifreunden aus den eigenen Reihen.
Vor allem am Spitzenkandidaten selbst. An Armin Laschet also, dem Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Tobias Hans hat zu jenen CDU-Spitzenpolitikern gehört, die sich den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Markus Söder als Kanzlerkandidaten der Union gewünscht haben. Aber Hans ist ein Parteisoldat. Man habe sich entschieden, wie man sich entschieden habe. Und natürlich sei Armin Laschet ein guter Kandidat, sagt er.
"Söder wäre der bessere Mann gewesen" ist ein Satz, den man in diesen Tagen auch an CDU-Wahlkampfständen und bei Hausbesuchen immer wieder hört. Aber besser "der Laschet" als Olaf Scholz von der SPD, der Deutschland in ein "Linksbündnis" mit den Grünen und der Linkspartei führen werde, wird dann meisten schnell nachgeschoben.
Der Vorsitzende des CDU-Ortsverbands Limbach-Altstadt, Carsten Baus, sieht das anders. Bei ihm zuhause lagern die von der Parteizentrale gelieferten Laschet-Plakate, sagt er. Aufhängen werde man sie nicht. Denn: "Armin Laschet ist nicht der Kanzlerkandidat, der das Land voranbringen wird. Er steht für das Weiter-so der Kanzlerin Angela Merkel. Er steht dafür, dass wir Dinge nicht klar benennen und weiter einem Zeitgeist hinterherlaufen, um möglichst wenigen Leuten politisch wehzutun. Das kann so nichts werden. Es war leider eine erkennbar völlig falsche Entscheidung, Laschet zum Kanzlerkandidaten der Union zu machen."
Der CDU-Ortsverband Limbach-Altstadt ist so klein, dass er selbst im überschaubaren Saarland innerhalb der Partei keine Rolle spielt. Man hätte einen wie Baus also einfach ignorieren können - wenn Baus sich nicht beim Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gemeldet hätte mit genau diesen Sätzen.
Baus bedauert, dass die Meinung der Basis bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur keine Rolle gespielt hat. Die Parteifunktionäre habe die "Laien-Meinung" ignoriert, sagt er, deshalb müsse der CDU-Bundesvorstand nach der Wahlniederlage, die aus Sicht von Baus nicht mehr abzuwenden ist, "zum Teufel gejagt werden".
Ab in den Keller
"Ja, Limbach-Altstadt", seufzt Peter Strobel. Der junge Unternehmer, der es in der CDU innerhalb weniger Jahre vom Kommunalpolitiker bis zum saarländischen Finanz- und Europaminister gebracht hat, setzt sein verschmitztes Lächeln auf und versucht, das Thema tieferzulegen. Man könne das mit Laschet ja so sehen, wie Carsten Baus es tut. "Dann lässt man eben die Plakate im Keller, aber man redet nicht groß drüber", sagt Strobel. Wie auch immer: So wichtig sei diese Stimme aus Limbach ja nun auch wieder nicht.
An der Basis hat sich nicht jeder so gut unter Kontrolle, wenn es um Carsten Baus geht. "Da geht mir der Hut hoch", braust Hermann Hoffmann auf. "Ich bin seit 50 Jahren in diesem Verein, mein Verhältnis zur Partei ist ein stabiles", sagt der 72-Jährige, der sich in der Saarbrücker Kommunalpolitik engagiert. Die CDU sei für die Gesellschaft wichtig, weil sie eine Partei sei, in der viele Meinungen zusammenkommen.
Das seien zum Beispiel Menschen aus der Wirtschaft ebenso dabei wie solche, die aus der christlich-sozialen Tradition kommen, erklärt Hoffmann. Und klar, da werde viel und oft auch kontrovers diskutiert. "Aber im Wahlkampf muss man zusammenstehen. Da kann man sich nicht öffentlich ans Schienbein treten", findet er.
Aber hat Carsten Baus nicht recht? Hoffmann gönnt sich eine kurze Nachdenkpause. Dann sagt er: "Klar, es sind schwierige Zeiten, aber da müssen wir durch." "Der ein oder andere Laschet hängt auch irgendwo in Saarbrücken", sagt Hans-Jürgen Altes. Der 62-Jährige ist schon lange CDU-Mitglied und macht Wahlkampf in einem Saarbrücker Stadtteil, in dem es überdurchschnittlich viele Zuwanderer und viele Arbeitslose gibt. Die CDU hat hier noch nie große Erfolge gefeiert. "Laschet zu plakatieren, ist Sache der Bundespartei", findet Altes. "Wir plakatieren es Annegret", sagt er.
Trügerische Umfragen?
Das saarländische Neutrum vor Frauennamen zu verwenden, zeugt von Sympathie und Nähe. "Es Annegret" ist Bundes-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Am Wahlkampfstand, an dem Altes in seiner Mittagspause steht, ist kein einziges Laschet-Plakat zu sehen. Auch auf den Infoblättern und auf den Tüten mit Brezeln, die an Passanten verteilt werden, sind ausschließlich Fotos von Annegret Kramp-Karrenbauer, der Spitzenkandidatin der saarländischen CDU, die hier auch mal einfach nur AKK genannt wird.
"Der Wahlkampf ist auf AKK zugeschnitten. Wir machen für sie hier Wahlkampf", sagt Altes. Laschet? "Nein, der spiele hier keine große Rolle. Wir haben uns hier auf sie fokussiert. Aber es ist schon klar, dass wir damit auch Laschet unterstützen", erklärt Altes.
Das scheint zu funktionieren. Eine Frau mittleren Alters, die den Impuls zu haben scheint, schnell am Wahlkampfstand vorbeizukommen, bleibt dann doch stehen. "Ah, es geht um Frau Kramp-Karrenbauer", stellt sie fest, als ihr eine Wahlkämpferin eine Brezeltüte hinhält. "Dann nehme ich das gerne."
Ein paar Meter weiter steht die Kandidatin selbst. Sie lächelt mit einer Frau in deren Smartphone-Kamera. "Wenn ich für jedes Selfie eine Wählerstimme bekommen würde, wäre alles gut", sagt AKK. Sie war im Saarland selbst Ministerpräsidentin, bevor sie nach Berlin wechselte. Was sagt sie zu Carsten Baus? "Fünf Minuten Glorie" habe der bekommen. Er müsse selbst wissen, ob es sich dafür gelohnt habe, der Partei zu schaden. Aber: "Die Stimmung fühlt sich besser an als die Umfragen."
Umfragen besagen, dass die CDU wahrscheinlich drei der vier saarländischen Wahlkreise verliert. Vor vier Jahren hat sie drei von vier gewonnen. Liegt das an Armin Laschet? "Man muss den Kandidaten erklären", sagt die Ministerin. Aber das gelinge im Saarland ganz gut. Ihr Parteifreund Hans-Jürgen Altes nickt. Er nickt noch, als AKK längst wieder Selfies macht.