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CDU-Vorsitz: Mann, katholisch, Wessi

Von Alexander Dworzak

Politik

Die deutschen Christdemokraten wählen bald einen neuen Parteichef - und entscheiden, wie weit sie sich von der Ära Merkel entfernen.


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Wie schnell und brutal Prognosen von der Realität eingeholt werden können, zeigte das Pandemie-Jahr 2020 überdeutlich. Gewiss ist jedoch, dass in Deutschland demnächst eine politische Ära endet: Bei der Bundestagswahl im kommenden Herbst steht Angela Merkel nicht mehr als Kanzlerkandidatin für CDU und CSU zur Verfügung. Deutschland wird erstmals seit 2005 einen neuen Regierungschef erhalten. Bereits vor zwei Jahren gab Merkel den CDU-Vorsitz ab. Doch die Aufgabe erwies sich als zu groß für Annegret Kramp-Karrenbauer, sie kündigte ihren Rückzug an.

Mitte Jänner wählen daher die Christdemokraten ihren neuen Chef. Merkel, die von 2000 bis 2018 den Vorsitz innehatte, brach in dreifacher Hinsicht mit Traditionen in der CDU: als Frau, als Ostdeutsche und als Protestantin. Schon mit Kramp-Karrenbauer kehrten sich zwei Faktoren wieder um: Sie stammt aus dem Westen der Bundesrepublik und ist katholisch - wie auch alle drei bisher bekannten Nachfolgekandidaten Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Auch beim Geschlecht kehrt die CDU somit wieder zu jahrzehntelangen Gewohnheiten zurück.

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Wer sich die alte Bundesrepublik habituell zurückwünscht, setzt auf Friedrich Merz. Der 65-Jährige ist auch Hoffnungsträger jener, denen die CDU nicht nur zu weiblich geworden ist, sondern sich auch von ihren konservativen Wurzeln zu weit entfernt hat. Merkels Mitte-Kurs - oder die Sozialdemokratisierung der Partei - sorgte zwar dafür, dass CDU/CSU nach der Bundestagswahl 2005 auch 2009, 2013 und 2017 die Wahl gewannen. Im Schatten der Siege gründete sich aber die AfD als bürgerlich-konservative Kraft. Groß wurde sie jedoch erst mit der Flüchtlingskrise 2015, Merkels Kritiker lasten ihr das Offenlassen der Grenzen bis heute an.

Merz trat bereits 2018 um den Parteivorsitz an, mit der Ansage, er wolle die AfD halbieren. Damals stand die Partei um 15 Prozent. Nun sind es 10 Prozent aufgrund der Corona-Krise und der Debatte um die Beobachtung der gesamten AfD durch den Verfassungsschutz, weil Vertreter von Rechtsaußen immer mehr Gewicht haben. Umgekehrt hat die Union seit Ausbruch der Pandemie stark zugelegt und liegt derzeit bei über 35 Prozent - Anfang 2020 hätte nur ein Viertel der Deutschen für sie gestimmt.

Laschets Schwenk auf eine härtere Corona-Linie

Neben seinem Fokus auf die AfD-Wähler macht Merz sein wirtschaftsliberaler Kurs in einer Zeit staatlicher Interventionen im dreistelligen Milliardenbereich zu schaffen. Der Arbeitnehmerflügel der CDU hat sich bereits festgelegt, er unterstützt Merz’ Kontrahenten Armin Laschet. Der Ministerpräsident des bevölkerungsstärksten deutschen Bundeslandes, Nordrhein-Westfalen, spielte erst die Corona-Gefahr herunter, schwenkte aber im Laufe der Krise auf eine härtere Linie um. So zählte er im Dezember zu den Vorreitern, als es um einen strengen Lockdown ging: "Wir können nicht bis Weihnachten warten" - diese Worte Laschets blieben haften. Er stimmte nicht nur darin mit Merkel überein. Der 59-Jährige zählt zum liberalen CDU-Lager, er verteidigte auch stets die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Als Ausgleich sicherte sich Laschet die Unterstützung von Jens Spahn - einem prononcierten Kritiker von Merkels Linie mit besten Verbindungen zu Österreichs Kanzler und Merkel-Kritiker Sebastian Kurz.

Nicht gut auf die Kanzlerin war einst auch Norbert Röttgen zu sprechen. Merkel entließ den damaligen Umweltminister im Jahr 2012 aus dem Bundeskabinett, nachdem Röttgen als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die CDU in ein Debakel geführt hatte. Der Abgesetzte erfand sich neu und ist heute Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Er gilt als ausgewiesener Transatlantiker und Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er fordert zum Beispiel den Baustopp der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2.

Chancen auf den CDU-Vorsitz werden Röttgen nur bedingt eingeräumt, seine Popularität ist zuletzt aber gestiegen. Ginge es nach der Parteibasis, würde Merz wohl das Rennen machen. Gewählt wird der neue Vorsitzende aber von Funktionären. 1.001 Delegierte stimmen am 16. Jänner beim Parteitag ab, der Corona-bedingt fast vollständig online abgewickelt wird. Weil es keinen erklärten Favoriten gibt, wird auch über einen Überraschungskandidaten spekuliert. Als solcher könnte sich nach Merz, Laschet und Röttgen ein weiterer Mann aus Nordrhein-Westfalen entpuppen: Ralph Brinkhaus.

Fraktionschef Brinkhaus gewinnt in der Krise an Profil

Der Chef der Bundestagsfraktion von CDU/CSU setzte sich im Rennen um den Job einst gegen einen Merkel-Vertrauten durch. Nicht nur das verschafft ihm Respekt bei Kritikern der Kanzlerin. Er gewann in der Corona-Krise an Statur und kritisierte etwa, das Parlament spiele in der Pandemiepolitik nur eine Statistenrolle. Auch dass der Bund viel größere finanzielle Lasten bei der Bewältigung der Krise als die Länder trägt, stößt Brinkhaus sauer auf. Die Merz’sche Direktheit, gepaart mit einem weniger polarisierenden Auftritt - das macht den 52-Jährigen zum potenziellen Kandidaten.

Auf die Kür in der CDU folgt die nächste, und zwar innerhalb der konservativen Parteienfamilie. Dass Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder seinen Platz nur im Freistaat sieht und nicht auf die Kanzlerkandidatur schielt, nehmen ihm viele Beobachter nicht ab. Wann CDU und CSU die Personalie entscheiden, ist derzeit ebenso unklar wie, auf wen die Wahl fällt. Deswegen keine Prognose an dieser Stelle.