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Cerberus auf dem Weg in die Hölle

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Der Chrysler-Deal wurde zum Fiasko. | Investoren ziehen in Krise massenhaft Kapital ab. | Andere Private Equity-Profis leiden ebenfalls. | Stephen Feinberg hat seit der Gründung seiner Firma vor 17 Jahren nichts anderes getan, als unterbewertete Unternehmen auf Pump aufzukaufen, auf Vordermann zu bringen und wieder abzustoßen. Mit dieser Schnäppchenjagd konnte er seine Geldgeber jährlich mit Renditen zwischen 16 und 27 Prozent erfreuen.


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Mit seinen weltweiten Coups - in Wien etwa setzte er sich 2006 mit der Übernahme der einstigen ÖGB-Bank Bawag in Szene - zählt er zu jenen berühmt-berüchtigten amerikanischen Finanzjongleuren, die auf das sogenannte Private-Equity-Business, also privates Beteiligungskapital für zumeist nicht börsenotierte Unternehmen, spezialisiert sind und gerne als "Heuschrecken" bezeichnet werden.

Jetzt ist Stephen Feinberg das Lachen vergangen. Der 48-jährige Gründer und Primus der Beteiligungsgesellschaft Cerberus ist erstmals in eine veritable Krise gerasselt. Für sein New Yorker Firmen-Imperium, das als einer der weltweit agilsten Private-Equity-Spezialisten Ende 2007 in verschiedenen Fonds ein Vermögen von rund 26 Milliarden Dollar verwaltet hat, scheint die goldene Ära endgültig passé zu sein. Das könnte auch Auswirkungen auf die Bawag haben, die im Vorjahr einen Nettoverlust von 547 Millionen Euro auswies. Feinberg dürfte die Bank, die staatliche Hilfe erhalten wird, früher als geplant wieder abstoßen.

Im Jänner hat er angekündigt, rund zehn Prozent seiner 300 Finanzprofis kündigen zu müssen. Cerberus, nach dem dreiköpfigen Höllenhund aus der griechischen Mythologie benannt, musste auch mehrere Büros entweder schließen oder verkleinern, darunter die Repräsentanzen in Frankfurt, London oder Chicago.

Der Grund für die Schrumpfkur: Im Zuge der Weltwirtschaftskrise erlitten Feinbergs Firmen und Fonds einen herben Rückschlag und verzeichneten 2008 alles in allem ein Minus von 16 Prozent.

Chrysler-Insolvenz war der größte Rückschlag

Cerberus Partners, der größte Fonds der Gruppe, hat zum Entsetzen der Investoren gleich 25 Prozent seines Werts eingebüßt. Die negative Performance wurde heuer speziell durch die Krise des US-Autokonzerns Chrysler verstärkt, der Ende April Insolvenz anmelden musste. Feinberg, der im Sommer 2007 vom Stuttgarter Daimler-Konzern um 7,2 Milliarden Dollar die Mehrheit erworben hatte, erlitt damit in Detroit einen kräftigen Rückschlag.

Zum Drüberstreuen sorgte der Anfang 2006 von General Motors für 14 Milliarden Dollar zugekaufte Autofinanzierer GMAC in den Bilanzen für erheblichen Wertberichtigungsbedarf. Feinberg verlor bei beiden Unternehmen die Übersicht, die Anteile - und damit eine Stange Geld.

Der Cerberus-Boss, der bislang als einer der cleversten US-Finanzhaie gegolten hatte, ist seit geraumer Zeit mit dramatischen Mittelabflüssen konfrontiert. Die Investoren, etwa Versicherungen, Pensionsfonds oder Stiftungen, werden jedenfalls angesichts des ziemlich problematischen Portfolios zunehmend nervös sowie stocksauer. Erst kürzlich berichtete das "Wall Street Journal", dass Anleger nicht weniger als 5,5 Milliarden Dollar aus zwei Feinberg-Fonds abgezogen haben - was 71 Prozent des verwalteten Vermögens entspricht. Grund sei zum einen die Unzufriedenheit mit den ungewohnten Verlusten, zum anderen der Geldbedarf der Kunden gewesen.

Feinberg musste folglich Ende August in einem Brief an seine Investoren klein beigeben: "Wir sind beschämt und enttäuscht von unserem Abschneiden im vergangenen Jahr, und wir empfinden es als eine große Verpflichtung, die Dinge umzudrehen." Gut verdient hat er freilich zuletzt nur selten - aber doch: Der Verkauf der einstigen Bayer-Tochter Telecris an den australischen Pharmaspezialisten CSL bescherte ihm rund eine Milliarde Dollar Gewinn. Und als er den deutschen Autozulieferer Peguform an die österreichische Polytec-Gruppe veräußerte, die daran beinahe zu Grunde gegangen wäre, war das für Feinberg ebenfalls ein feines Geschäft.

Starke Einbrüche und tiefrote Bilanzen

Der angeschlagene Höllenhund befindet sich in bester Gesellschaft: Finanzkrise plus Rezession haben auch andere Branchen-Riesen, die in den Boomjahren Renditen bis zu 30 Prozent per anno eingefahren haben, schwer getroffen.

Die private Beteiligungsfirma Kohlberg Kravis Roberts (KKR) etwa wurde regelrecht angezählt und musste schon im ersten Halbjahr 2008 einen Verlust von 1,1 Milliarden Dollar ausweisen. Ihr doppeltes Dilemma bestand darin, dass zum einen die Banken nicht mehr gewillt waren, mit Darlehen in Milliardenhöhe hilfreich zur Seite zu stehen, was spektakuläre Übernahmen unmöglich machte; und zum andern die Kurseinbrüche bei Aktien und Schuldtiteln das operative Ergebnis dramatisch belastet haben.

Andere Cerberus-Rivalen mussten ebenfalls die Erfahrung machen, dass ihr Geschäft in Saure-Gurken-Zeiten wie diesen automatisch einbricht: In der Tat wurden 2008 alles in allem nur 189 Milliarden Dollar an außerbörslichem Beteiligungskapital investiert - das sind 40 Prozent weniger als im Jahr davor. Und im ersten Halbjahr 2009 rollten schließlich nur noch 24 Milliarden Dollar - 80 Prozent weniger als zuletzt und so wenig wie seit 12 Jahren nicht mehr.

Das weltweit größte Private Equity-Haus Carlyle Group, bei dem auch eine Staatsfirma aus Abu Dhabi mitmischt, musste mitansehen, wie ihre niederländische Tochter Carlyle Capital Corp. (CCC) im März 2008 in Zahlungsnöte schlitterte. Der Marktleader, der mitten in der Krise etwa für 2,5 Milliarden Dollar die Mehrheit am Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton erworben hatte, sah sich zu Jahresbeginn veranlasst, jeden zehnten seiner 1000 Beschäftigten zu kündigen.

Die US-Beteiligungsfirma Blackstone wiederum, die bereits bei 135 Firmen aktiv war und derzeit an 57 beteiligt ist, rutschte im dritten Quartal 2008 tief in die roten Zahlen - minus 510 Millionen Dollar. Auch das heurige Jahr bescherte dem seit kurzen börsenotierten Finanzinvestor, an dem auch der chinesische Staatsfonds CIC beteiligt ist, bislang grellrote Zahlen. Trotzdem: Im Moment hält Blackstone umgerechnet 20 Milliarden Euro für weitere Investitionen in der Kriegskasse bereit.

Die Jahresgage betrug 700 Millionen Dollar

Die rekordsüchtigen Beteiligungsprofis, die noch vor nicht allzu langer Zeit laufend Milliarden-Coups landen konnten, sind mit einem Schuldenberg konfrontiert, der Experten zufolge zwischen 400 und 500 Milliarden Dollar liegt. Laut Standard & Poors müssen sie beispielsweise 2013 an die 115 Milliarden und 2014 rund 192 Milliarden Dollar zurückzahlen. Sie haben den geschluckten Unternehmen in den Boomjahren zumeist gigantische Kredite aufgebürdet und ihr eigenes Kapital möglichst rasch wieder abgezogen. Die typischerweise schuldenfinanzierten Transaktionen verschafften ihnen das Image von Spekulanten und brachten ihnen den Vorwurf ein, es gehe ihnen mehr ums Abzocken denn um langfristige Investitionen.

Die Krise scheint die Beteiligungsfirmen zu neuer Bescheidenheit zu zwingen: "Wir können uns in Zeiten wie diesen nicht nur auf die Rendite konzentrieren", sagte Henry Davis von KKR, "und wenn wir uns nicht anpassen, werden wir überflüssig". Jetzt geht es für fast alle ums nackte Überleben der häufig hoch verschuldeten Akquisitionen, die im Extremfall pleitegehen.

Davis Kollege Leon Black, Mitgründer des US-Investmenthauses Apollo Management, ist daher überzeugt: "Das traditionelle Private-Equity-Geschäft ist mangels Krediten bis auf Weiteres tot." Tatsächlich haben die Finanzhaie seit Ausbruch der Finanzkrise kaum mehr Milliarden-Übernahmen zu Stande gebracht, sondern sich mit kleineren Fischen begnügt.

Einer der gefürchtetsten Firmenfinanzierer verarbeitet die Krise auf seine Weise: Der 62-jährige Multi-Milliardär Stephen A. Schwarzman, Gründer, CEO und Chairman der Blackstone Group, verzichtete im Februar wegen tiefroter Zahlen großzügig auf seinen Bonus - schließlich sind auch die Blackstone-Aktien seit dem Börsegang vor zwei Jahren um 90 Prozent abgestürzt.

Im August wurde allerdings bekannt, dass sich der für Megacoups wie dem Kauf der Hotelkette Hilton bekannte "neue Wall Street-König" ("Fortune") im Vorjahr eine Gage von 700 Millionen Dollar genehmigt hatte - womit er bestbezahlter US-Boss war.

Das Portfolio von Cerberus

Die Cerberus Capital Management, 1992 von Stephen Feinberg mit einem Startkapital von zehn Millionen Dollar in New York gegründet, ist in Österreich ein Begriff geworden, als sie im Dezember 2006 dem ÖGB um 3,2 Milliarden Euro die Bawag abgekauft hat. Diese hat ihr deutlich weniger Troubles bereitet als zwei andere, weitaus spektakulärere Coups: Der Einstieg beim drittgrößten US-Autokonzern Chrysler sowie die Beteiligung an GMAC Financial Services haben Cerberus enorm viel finanzielle Substanz gekostet und Feinbergs einstiges Winner-Image erheblich beschädigt.

Cerberus besitzt derzeit laut Homepage rund 30 in verschiedenen Branchen tätige Unternehmen, darunter den weltweit führenden Bushersteller, Blue Bird in Georgia, die New Page Corporation, den größten nordamerikanischen Zeitungspapierhersteller, den Autozulieferer Tower Automotive in Michigan, die aus 300 Stores bestehende Lebensmittelkette Albertsons LLC in Idaho oder die kalifornische Fast Food-Firma Strategic Restaurant Acquisition Group.

Die Gruppe, die beispielsweise den einstigen US-Vizepräsidenten Dan Quayle und Ex-Finanzminister John Snow beschäftigt, ist auch im Bankenbereich engagiert, wobei neben der Bawag die japanische Aozora Bank und das Handel- und Kredit-Bankhaus in Frankfurt zu nennen sind, und setzt obendrein auf den Immobiliensektor: In Tokyo ist sie mit Showa Jisho Co. Ltd präsent, ihre deutsche GSW Berlin GmbH besitzt nicht weniger als 65.000 Wohnungen.

Die japanische Transportfirma Kokusai Kogyo, die holländische Flugzeugfirma AerCap Holdings NV sowie die Four Points Media in Salt Lake City mit sieben TV-Stationen runden ihr buntes Portfolio ab.

Wissen

(red) Als Private-Equity bezeichnet man Beteiligungsgesellschaften, die (meist mit wenig Eigenkapital und hohen Krediten) Unternehmen aufkaufen, sanieren und gewinnbringend wiederverkaufen. Ihr schlechtes Image und die Bezeichnung "Heuschrecken" kommt daher, dass sie die Kreditkosten zumeist den gekauften Firmen auferlegen (diese "abnagen") und danach weiterziehen.

Private-Equity wird oft fälschlicherweise synonym mit Hedgefonds gebraucht. Gemeinsames Element sind die hohen Kredithebel und die riskanten Investments.