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Cesare Battisti freigelassen

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Richter bestätigen Beschluss des früheren Präsidenten. | Italien will Internationalen Gerichtshof anrufen. | Brasilia/Rom. Der Oberste Gerichtshof Brasiliens hat die Auslieferung des früheren Linksextremisten Cesare Battisti an Italien mit sechs gegen drei Stimmen abgelehnt und die Freilassung des seit März 2007 in Auslieferungshaft Sitzenden angeordnet. Battisti wurde kurz darauf freigelassen.


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In Italien wurde die Entscheidung des brasilianischen Höchstgerichtes mit Enttäuschung und Verbitterung aufgenommen. Außenminister Franco Frattini kündigte den Gang zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag an.

Der 56-jährige Cesare Battisti hatte in den Siebzigerjahren der Gruppe "Bewaffnete Proletarier für den Kommunismus (PAC) angehört und war 1979 zu zwölf Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Gruppe verurteilt worden. 1981 gelang ihm die Flucht aus dem Gefängnis von Frosinone. Über Frankreich gelangte er nach Mexiko. In den Achtzigerjahren wurde er von reuigen Terroristen beschuldigt, in vier Morde verwickelt gewesen zu sein. In Abwesenheit wurde er dafür 1988 zu lebenslänglicher Haft verurteilt.

Battisti kehrte 1990 nach Frankreich zurück und berief sich dort auf die sogenannte "Mitterand-Doktrin". Der damalige französische Staatspräsident Francois Mitterand hatte die Auslieferung von italienischen Linksextremisten, die keine Gewaltverbrechen begangen und ihre terroristische Aktivität aufgegeben hatten, abgelehnt. Auf Antrag Italiens wurde Battisti 1991 in Frankreich festgenommen, nach fünf Monaten aber wieder freigelassen, nachdem ein Pariser Gericht seine Auslieferung abgelehnt hatte.

Battisti hatte unterdessen eine literarische Karriere gestartet und die italienischen Vorwürfe, er sei in vier Morde verwickelt gewesen, immer strikt zurückgewiesen.

Seit 2007 in Haft

Als im Jahr 2002 die Mitterand-Doktrin de facto widerrufen wurde, setzte sich Battisti nach Brasilien ab, um einer möglichen Auslieferung nach Italien zuvorzukommen. Am 18. März 2007 wurde er in Rio de Janeiro in einer gemeinsamen Aktion brasilianischer und französischer Sicherheitskräfte festgenommen. Im November 2009 entzogen ihm die brasilianischen Behörden den Flüchtlingsstatus und das Höchstgericht erlaubte die Auslieferung, stellte aber gleichzeitig fest, dass die brasilianische Verfassung in dieser Frage die letzte Entscheidung beim Präsidenten sieht. Präsident Luiz Inacio Lula da Silva entschied an seinem letzten Tag im Amt, am 31. Dezember 2010, der Auslieferung nicht zuzustimmen. Dieser Ansicht hat sich jetzt auch das Höchstgericht angeschlossen.

Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano sprach von einer "bedauernswerten Entscheidung". Gleichzeitig erneuerte Napolitano seine Solidarität gegenüber den Familien der Opfer der von Battisti begangenen Verbrechen und sagte zu, jeden Schritt Italiens zu unterstützen, um mit allen rechtlichen Instanzen sicherzustellen, dass den internationalen Konventionen Rechnung getragen wird.

Außenminister Franco Frattini bedauerte, dass in der ersten Runde der Terrorismus gewonnen und die Völkergemeinschaft verloren habe, die der Meinung ist, dass die Welt einem Terroristen nicht helfen dürfe. Regierungschef Silvio Berlusconi sieht in der Entscheidung des brasilianischen Höchstgerichts die Forderung nach Gerechtigkeit, die aus Italien komme, ausgelöscht. Damit werde es unmöglich gemacht, den Familien der Opfer des Terrorismus Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.