Die 6.000 Einwohner zählende Grenzgemeinde Gmünd und das nur durch den Grenzfluss, die Lainsitz, getrennte Ceske Velenice mit etwa 3.500 Einwohnern bilden historisch und räumlich betrachtet eigentlich einen gemeinsamen Ort. Dennoch könnten die Gegensätze zwischen diesseits und jenseits der Grenze nicht größer sein: Unter anderem deshalb, weil in Ceske Velenice seit der Wende das Geschäft mit der käuflichen Liebe boomt, während man auf österreichischer Seite großen Wert darauf legt, diesem "Missstand" ein für alle Mal einen Riegel vorgeschoben zu haben.
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Nach der Unabhängigkeit im Jahr 1920 wurden die bei Gmünd liegenden Arbeitersiedlungen, die heute einen Großteil des Ortsgebiets von Ceske Velenice ausmachen, dem neu entstandenen tschechoslowakischen Staat zugeschlagen. Das vor allem aus strategischen Gründen, denn dort befand und befindet sich eine wichtige Bahnverbindung nebst Bahnhof. Der Ort Ceske Velenice selbst war bis zum Fall des Eisernen Vorhangs 1989 so genanntes "Sperrgebiet": Nur die Bewohner des Orts und Inhaber einer speziellen Berechtigungskarte durften das Gebiet an der österreichischen Grenze betreten.
Heute könnte man eigentlich annehmen, dass mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und Beitritt Tschechiens zur EU die beiden Orte demnächst zusammenwachsen. Derzeit dominieren aber noch die Gegensätze: So besticht Gmünd durch seinen hübschen Stadtplatz und durchwegs attraktive Gebäude, während der ehemalige Arbeitervorort Ceske Velenice stellenweise ein arg heruntergekommenes Bild bietet.
Da gibt es aber noch ein Charakteristikum, das die beiden Orte augenfällig voneinander unterscheidet. Denn seit der Wende boomt in Ceske Velenice das Geschäft mit der käuflichen Liebe: In dem Örtchen mit rund 3.500 Einwohnern gibt es drei Bordells, die via Leuchtreklame mehr oder weniger als solche erkennbar sind. Daneben existieren zwei einschlägige Lokale, die von außen betrachtet nichts über ihren Daseinszweck verraten. Wahrnehmbarer ist der Straßenstrich mit zehn bis 20 Frauen. Außerdem ist ein österreichischer Gastronom in das lukrative Geschäft eingestiegen und hat unweit des Ortsgebiets einschlägige Etablissements eröffnet.
Auf dem Gemeindegebiet Gmünd gibt es das alles nicht: Man habe dem Unwesen "von Anfang an einen Riegel vorgeschoben", so Bürgermeister Otto Opelka zur "Wiener Zeitung". Es habe zwar in der Vergangenheit einzelne Versuche gegeben, das Rotlichtmilieu von Ceske Velenice aus auf österreichisches Staatsgebiet auszudehnen. Die Exekutive wusste das aber auf vielfältige Weise zu verhindern: "Man kann gewisse Sachen fördern oder unterbinden", so Bürgermeister Opelka dazu.
Auf tschechischer Seite sieht man sich unterdessen mit einer Situation konfrontiert, die Kenner der Verhältnisse wie folgt skizzieren:
Alle der geschätzten 70 Prostituierten, die in und um das Ortsgebiet tätig sind, kommen von "auswärts". Es handelt sich demnach vorwiegend um Ukrainerinnen, Weißrussinnen Polinnen und Roma-Frauen aus den nordmährischen Industriegebieten. Sie werden von der ortsansässigen Bevölkerung als "Fremde" betrachtet und sind in das Alltagsleben kaum bis nicht integriert. Die Kundschaft wiederum besteht fast ausschließlich aus Österreichern aus dem Raum Zwettl und Waidhofen sowie türkischen Gastarbeitern. Diese berappen dort für die gebotenen Dienstleistungen etwa 20 bis 40 Euro.
Die Anrainer der betroffenen Straßenzüge in Ceske Velenice beklagen vor allem, dass Prostituierte bereits ab 9 Uhr Früh direkt vor der Volks- und Hauptschule auf Kunden warten. Auch die Verschmutzung von Wald- und Forststraßen wird als unästhetisch und unhygienisch empfunden. Daneben kommt es regelmäßig zu Belästigungen durch österreichische Freier, die oft nicht in der Lage sind, Prostituierte von Nicht-Prostituierten zu unterscheiden. Problematisch auch, dass es keinerlei verbindliche Gesundheitskontrolle gibt. Sporadisch auftretende Fälle von Syphilis sind auf tschechischer Seite amtsbekannt, der Verdacht auf eine solche Infektion beschäftigte auch den zuständigen Amtsarzt auf österreichischer Seite.
Die von Prag ausgehende Initiative "Roskoz bez risika" - "Vergnügen ohne Risiko", die sich vor einigen Jahren für Gesundheitskontrollen landesweit stark gemacht hat, musste ihre Aktivitäten aus Geldmangel einstellen. Andere Initiativen, die das Problem nachfrageseitig anpacken wollten, sind mittlerweile ebenfalls gescheitert. So gab es Plakate beim österreichisch-tschechischen Grenzübergang Wullowitz, wo Touristen aufgefordert wurden, Mäßigung walten zu lassen. Die Aktion wurde mittlerweile eingestellt.
Kaum "Handhabe"
Die tschechische Exekutive hat kaum eine Handhabe, gegen das Problem vorzugehen. So gibt es in diesem Bereich keine landesweit einheitlichen Bestimmungen. In Ceske Velenice ist es jedenfalls Vorschrift, dass weder Prostituierte noch Freier das "Geschäft aktiv anbahnen" dürfen. Ein darüber hinausgehendes "Wegweiserecht" gibt es nicht: Die auf den Straßen stehenden Frauen warten offiziell auf ihren Freund. Die österreichischen Freier können allerdings wegen diverser Verwaltungsübertretungen zu Geldstrafen verdonnert werden. Die Benutzung von Waldwegen durch nicht-landwirtschaftliche Fahrzeuge ist beispielsweise nicht gestattet und wird geahndet.
Unter diesen Umständen hat sich das Geschäft mit der Prostitution für einige Akteure zu einer wichtigen Einkommensquelle entwickelt. Gmünder und Gmünderinnen, die auf einen Besuch im wenige Schritte entfernten Ceske Velenice verzichten, bleibt das täglich-nächtliche Treiben dennoch weitgehend verborgen.
Grenzüberschreitende Auswirkungen gibt es trotzdem: So haben in Gmünd Hochzeiten zwischen Österreichern und Ukrainerinnen bzw. Tschechinnen in den letzten Jahren signifikant zugenommen. Was auch vom Gmünder Bürgermeister Otto Opelka, der gleichzeitig als Standesbeamter fungiert, bestätigt wird. Näher will er auf die Sache aber nicht eingehen. Es handle sich "um ganz normale Ehen" und unerforschlich sei "wo die Liebe hinfällt". Von informierter Seite ist aber zu erfahren, dass die Aussicht auf Heirat mit einem Österreicher für viele Frauen eine der Hauptmotivationen ist, überhaupt nach Ceske Velenice zu gehen.