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Vor 20 Jahren unterschrieben 1,23 Millionen Menschen das Volksbegehren gegen Gentechnik.
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Wien. In den vergangenen 20 Jahren kamen in der Europäischen Union 60 neue, gentechnisch veränderte landwirtschaftliche Produkte auf den Markt. Auf den heimischen Feldern wächst kein einziges von diesen. Die Freisetzungsrichtlinie der EU, die nationale Anbauverbote beinhaltet, macht das möglich. Gentechnik-Mais zum Beispiel darf in Deutschland, Frankreich, Griechenland, Luxemburg, Polen, Bulgarien, Ungarn und Österreich nicht angebaut werden.
Österreich sei in Sachen Gentechnikfreiheit Vorreiter gewesen, sagte Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner am Dienstag anlässlich einer Festveranstaltung zum 20-Jahr-Jubiläum des Volksbegehrens im Umweltministerium. Dieses, bei dem sich rund 1,23 Millionen Menschen für eine gentechnikfreie Landwirtschaft und Nahrung ausgesprochen hatten, habe die Ministerien und sämtliche Beteiligte in Österreich eine gemeinsame Ideologie verfolgen lassen. Die Risiken beim Konsum gentechnisch veränderter Lebensmittel seien noch nicht ausreichend erforscht. Möglich sind Allergien, Antibiotika-Resistenzen und eine Beeinträchtigung des Immunsystems.
Sonderklagerechte für Konzerne
Mit der Gentechnikfreiheit in Österreichs Landwirtschaft könnte es aber bald vorbei sein. Denn durch Ceta, das Handelsabkommen der EU mit Kanada, sollen Großkonzerne Sonderklagerechte erhalten, mit denen sie gegen unbequeme Umwelt- und Konsumentenschutzgesetze klagen können. Unbequem wäre zum Beispiel Gentechnikfreiheit - Kanada gehört hinter den USA, Brasilien, Argentinien und Indien zu jenen Ländern, in denen der Großteil der Gentechnik-Pflanzen wächst.
Das EU-Parlament hat im Februar für den Ceta-Vertrag gestimmt, große Teile können nun vorläufig in Kraft treten. Es müssen allerdings noch Bereiche in nationaler Zuständigkeit von den nationalen Parlamenten der 28 EU-Staaten einzeln ratifiziert werden. Erst danach tritt Ceta endgültig in Kraft.
Dass damit gentechnisch veränderte Produkte ins Land kommen, glaubt Umweltminister Andrä Rupprechter dennoch nicht. Im Vorfeld hatte er sich stets für Ceta ausgesprochen. "Ich sehe die Gefahr durch das vorläufige Inkrafttreten nicht", sagte er am Dienstag. Zudem beziehe sich Ceta nur auf den Handel. Und das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA sei ohnehin tot.
Erst im Jänner haben 562.000 Österreicher das Volksbegehren gegen Ceta, TTIP und TiSA (zwischen 23 Welthandelsstaaten einschließlich der EU und den USA) unterstützt, es wird nun im Nationalrat behandelt. Dass sich die Abkommen auf den Handel beziehen, beeinflusst die Gentechnikfreiheit wohl deshalb wenig, weil diese bis jetzt im Handel nicht uneingeschränkt existiert. Denn in Österreich ist zwar der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verboten, der Import aber erlaubt.
Was Österreichs Nahrungsmittel im Supermarkt betrifft, gibt es bereits seit sieben Jahren das grüne Qualitätssiegel "Ohne Gentechnik hergestellt". Die Nachfrage danach hat laut Markus Schröpf, Obmann der Arge Gentechnik-frei, in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. In den Regalen der Diskonter der Rewe International AG stehe kein einziges gentechnisch verändertes Produkt, sagte Vorstandsvorsitzender Franz Hensel am Dienstag.
Die größte undichte Stelle gibt es jedoch bei den Futtermitteln. Die Fütterung von Nutztieren wie Schweinen oder Rindern mit gentechnisch verändertem Futter, zum Beispiel Soja oder Mais, ist erlaubt. Jedes Jahr würden rund 500.000 Tonnen Soja importiert, hieß es am Dienstag. Nur etwa 200.000 Tonnen davon seien gentechnikfrei.
Gentechnikfrei und teuer
Die Krux dabei: Gentechnikfreies Soja ist teurer als gentechnisch verändertes. Je nach Herkunft und Saison um 50 bis 90 Euro pro Tonne, sagt Hannes Royer, Obmann des Vereins "Land schafft Leben". Konsumenten müssten bereit sein, für die teureren, gentechnikfreien Futtermittel mehr für Tierprodukte zu bezahlen - dann könnten die Bauern auf diese zurückgreifen. Österreichs Milchbranche etwa hat bereits 2010 komplett auf eine gentechnikfreie Fütterung umgestellt.
In Europa besitzen wenige Firmen die Hälfte der Patente auf Pflanzen: Bayer/Monsanto, Dupont Pioneer, Syngenta und BASF. Die Konzerne verkaufen das Package Saatgut, Pestizide und Dünger sowie die Patente dazu und sichern sich so den Markt. Der rasante technologische Fortschritt in diesem Gebiet stelle die größten Herausforderung der nächsten Jahre dar, hieß es am Dienstag. Wie zum Beispiel die Genschere: Dabei wird das Genom von Pflanzen verändert, anders als bisher jedoch oft, ohne artfremde Gene einzufügen. Der Nachweis dieser Methode wird dadurch schwierig bis unmöglich.